Eine Abschiebung von unbegleiteten Minderjährigen – damit sind Menschen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs gemeint – ist in Deutschland nur im Ausnahmefall möglich. Die Regel ist: Es widerspricht dem Schutz und Wohl von unbegleiteten Minderjährigen, abgeschoben zu werden.
Wenn dennoch abgeschoben werden soll, muss die abschiebende Behörde beweisen, dass es dem Schutz und Wohl des*der Minderjährigen nicht widerspricht.
So muss sich die Ausländerbehörde gemäß § 58 Abs 1a AufenthG vergewissern, dass die Rückkehr zu einer Personensorgeberechtigten Person oder in eine geeignete Einrichtung sichergestellt ist.
Die Anforderungen an den Nachweis über die Abschiebbarkeit hat das höchste deutsche Verwaltungsgericht (Bundesverwaltungsgericht) 2013 unter Berücksichtigung der EU Vorschriften für alle Behörden verbindlich festgeschrieben:
„Die Ausländerbehörden – und ggf. die Verwaltungsgerichte – müssen sich in jedem Einzelfall die Überzeugungsgewissheit davon verschaffen, dass die Übergabe des unbegleiteten Minderjährigen an eine in § 58 Abs. 1 a AufenthG genannte Person (Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person) oder (einer geeigneten) Einrichtung nicht nur möglich ist, sondern tatsächlich auch erfolgen wird (konkrete Möglichkeit der Übergabe).“[i]
Dies bedeutet, dass sich die Ausländerbehörde in jedem Einzelfall nachweisbar überzeugen muss, ob die Übergabe des unbegleiteten Minderjährigen an eine in der Vorschrift genannte Person tatsächlich auch erfolgen wird.
Dabei muss der Nachweis von der Ausländerbehörde erbracht werden. Sie kann die Prüfung nicht auf den Vormund des*der unbegleiteten Minderjährigen übertragen.
In der Praxis bedeutet dies, dass eine schriftliche Bestätigung der Eltern vorliegen muss.
Es bedeutet aber zusätzlich auch, dass die Ausländerbehörde das Jugendamt, die Vormundschaft und die Betreuungseinrichtung beteiligen muss, denn nur so kann der konkrete Bedarf der*des Jugendlichen festgestellt werden.
Abschiebung von Asylsuchenden innerhalb Europas werden formell Überstellungen genannt und erfolgen nach der sog. Dublin-III-Verordnung[i]. Diese regelt die Zuständigkeiten für den Asylantrag. Es gilt dabei das Prinzip: Wer Flüchtlinge nach Europa hineinlässt, muss die Verantwortung für sie übernehmen. Damit droht vielen Asylantragsstellenden die Überstellung in das Ersteinreiseland.
Bei unbegleiteten Minderjährigen ist dies jedoch anders: Sie bleiben grundsätzlich in dem Staat des tatsächlichen Aufenthalts, um dort ein Asylverfahren zu durchlaufen – unabhängig davon, ob bereits in anderen europäischen Staaten Asylverfahren laufen. Eine Überstellung zum Zweck der Familienzusammenführung ist jedoch möglich. Es gilt: Welcher europäische Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens von unbegleiteten Minderjährigen zuständig ist, orientiert sich ausschließlich an dem Wohl des Minderjährigen[ii].
Voraussetzungen dafür, dass eine Rücküberstellung in andere europäische Mitgliedsstaaten ausgeschlossen wird, sind:
- Eine Antragstellung auf Asyl in dem Staat, in dem sich der*die unbegleitete Minderjährige aufhält. Wird kein Asylantrag gestellt, besteht kein Schutz im Sinne des schnellen Zugangs zum Flüchtlingsverfahren, und die Minderjährigen können rückgeführt werden.
- Dass im anderen Staat noch kein Asylverfahren abgeschlossen ist. Die Zuständigkeitsübernahme für ein Asylverfahren im aktuellen Staat setzt voraus, dass es noch kein beendetes Verfahren in der EU gibt. Gibt es schon ein abgeschlossenes Verfahren, ist Dublin III nicht mehr anwendbar und die Person kann potentiell rücküberstellt werden. Dann kann jedoch versucht werden einen Asyl-Folgeantrag zu stellen.
[i] EU Verordnung 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist.
Wer im Asylverfahren einen Schutzstatus erhalten hat, kann in Deutschland bleiben. Wurde ein Asylverfahren negativ beschieden oder wegen mangelnder Erfolgsaussichten kein Asylantrag gestellt, so sind die jungen Menschen nur geduldet und damit grundsätzlich ausreisepflichtig. Spätestens mit 18 Jahren droht dann die Abschiebung.
Bei einer Ablehnung im Asylverfahren kann vor dem Verwaltungsgericht geklagt werden. Es gelten jedoch kurze Klagefristen. Bei einer „normalen“ Ablehnung muss innerhalb von zwei Wochen geklagt werden. Wird die Person als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt, ist nur eine Woche Zeit, und es muss neben der Klage auch deren aufschiebende Wirkung beantragt werden (diese Konstellation tritt eigentlich nur auf, kommt die Person aus einem Land, das auf der Liste der sog. „sicheren Her-
kunftsstaaten“ steht). Das Gericht überprüft daraufhin die BAMF-Entscheidung anhand des Anhörungs-Protokolls und ggf. weiterer Dokumente und Nachweise.
Abseits des Asylverfahrens gibt es weitere Möglichkeiten der Aufenthaltssicherung: etwa aus humanitären Gründen. So kann statt eines Asylantrags bei der lokalen Ausländerbehörde ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG beantragt werden, bspw. aus gesundheitlichen Gründen. Des Weiteren kann auch nach negativem Abschluss eines Asylverfahrens aufgrund von Integrationsleistungen und einer Ausbildung ein Aufenthalt – teilweise über das Sprungbrett der Ausbildungsduldung – erlangt werden (u.a. §§ 25a, b AufenthG, 23a AufenthG, 60c i. V .m. 19d AufenthG). Diese Möglichkeiten müssen von Beginn an, sobald mit der Perspektivklärung des jungen Menschen begonnen wird, unbedingt aber vor dem 18. Geburtstag, geprüft und die bestehenden Möglichkeiten sowie ihre Vor- und Nachteile sorgfältig miteinander abgewogen werden.
Auf unserer Themenseite Bildung und Arbeit haben wir einige Möglichkeiten der Aufenthaltssicherung durch Integrationsleistungen zusammengestellt.
Erstellt im Rahmen des Projektes „Gut ankommen – Fachkräfte qualifizieren“. Dieses Projekt wird aus Mittel aus dem Asyl-, Migrations- und Flüchtlingsfonds kofinanziert. Eine Ergänzung und Überarbeitung erfolgte im Rahmen des Projektes „Fokus – Perspektiven junger Geflüchteter im Kontext neuer gesellschaftlicher und rechtlicher Diskurse“, finanziert durch die Aktion Mensch, die Freudenbergstiftung und die UNO-Flüchtlingshilfe.