Im Asylverfahren wird entschieden, ob ein Minderjähriger Schutz und damit ein Aufenthaltsrecht erhält. Die Anhörung zu den Fluchtgründen ist das zentrale Moment: Hier muss eine genaue und ausführliche Schilderung erfolgen - geordnet und frei von Widersprüchen. Minderjährige, Vormünder und Beistände sollten sich darauf vorbereiten: Sonst droht eine Ablehnung trotz Gefährdungen im Herkunftsland. Bei einer Ablehnung kann vor dem Verwaltungsgericht geklagt werden, es gelten jedoch kurze Klagefristen.
Meldungen
Psychosoziale Versorgung

Junge geflüchtete Menschen sind zahlreichen belastenden Faktoren ausgesetzt, die sich negativ auf ihre Psyche auswirken können. Dabei sind es nicht nur traumatische Erlebnisse vor oder während der Flucht, die belastend wirken, sondern auch diejenigen, die nach der Einreise wirken: Aufenthaltsrechtliche Unsicherheit, rassistische Diskriminierung, Trennung von der Familie – um nur einige zu nennen – stellen große Probleme in der Lebenswirklichkeit der jungen Menschen dar. Eine bedarfsorientierte jugendhilferechtliche Betreuung und Versorgung hingegen kann im engen Austausch mit niedergelassenen Therapeut*innen, den örtlichen Psychosozialen Zentren, Selbstorganisationen und weiteren Akteuren ein wichtiger Schutzfaktor für die mentale Gesundheit sein und Belastungsfaktoren entgegenwirken. Diese Themenseite beleuchtet die Herausforderungen bei der psychosozialen Versorgung junger Geflüchteter, weist Lösungsansätze aus und liefert praktische Hinweise, um die psychosoziale Versorgung junger geflüchteter Menschen zu verbessern.

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Offener Brief: Nein zur Bezahlkarte
29.02.2024

Gemeinsam mit einem breiten Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, lehnt der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. die Bezahlkarte für Bezieher*innen von Leistungen nach dem AsylbLG strikt ab. In dem Brief fordert das Bündnis das Land Berlin dazu auf, aus dem Vergabeverfahren auszusteigen.

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Für eine solidarische Gesellschaft jetzt! Asylrecht verteidigen!
26.02.2024
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"Im Wartemodus": Zur aktuellen Situation junger geflüchteter Menschen in Deutschland
15.02.2024
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Seminarreihe: Asyl und aufenthaltsrechtliche Perspektiven für junge Menschen nach der Flucht
14.02.2024
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Hintergrund

Ein Asylverfahren wird durch einen Asylantrag eingeleitet. In diesem Verfahren wird geprüft, ob bei dem Minderjährigen die Voraussetzungen einer Asylberechtigung nach dem Grundgesetz, von internationalem Schutz (Flüchtlingsschutz und subsidiärem Schutz) oder Abschiebungsverbote vorliegen und der Minderjährige damit ein Aufenthaltsrecht erhält.  Die Anhörung zu den Fluchtgründen ist das Kernstück des Asylverfahrens: Hier muss eine genaue und ausführliche Schilderung erfolgen – geordnet und frei von Widersprüchen. Minderjährige, Vormünder und Beistände sollten sich darauf vorbereiten: Sonst droht eine Ablehnung trotz Gefährdungen im Herkunftsland. Bei einer Ablehnung kann vor dem Verwaltungsgericht geklagt werden, es gelten jedoch verkürzte Klagefristen (ein bis zwei Wochen nach Zustellung des negativen Bescheids). Das Asylverfahren kann ein guter Weg sein, um die aufenthaltsrechtliche Situation zu sichern, um die Überstellung in einen EU-Mitgliedstaat abzuwenden. Aufenthaltsrechtlich problematische Konsequenzen kann das Asylverfahren nach sich ziehen, wenn die Person aus einem sogenannten sicheren Herkunftsland (§ 29a AsylG) stammt, oder der Eintritt der Volljährigkeit kurz bevorsteht (§ 42 Abs. 2 S. 5 SGB VIII). In diesen Konstellationen sollte (anwaltliche)Beratung eingeholt werden.

 

 

Handlungsfähigkeit

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind im Asylverfahren nicht handlungsfähig und können selbst keinen Asylantrag stellen. Die Asylantragsstellung erfolgt daher durch einen Vormund oder durch das Jugendamt. Der Antrag wird schriftlich beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eingereicht. Angaben zu den Fluchtgründen werden an dieser Stelle noch nicht gemacht. Das BAMF führt hierzu eine Anhörung durch, die der wichtigste Teil des Asylverfahrens ist. Ausnahmen bestehen bei unbegleiteten Minderjährigen, die jünger als 14 Jahre sind, hier werden die Fluchtgründe in der Regel durch den Vormund schriftlich dem BAMF geschildert.

Die Vorbereitung auf die Anhörung im Asylverfahren

Die persönliche Anhörung zu den Fluchtgründen ist zentral für das Asylverfahren. Hier muss eine genaue und ausführliche Schilderung der Fluchtgründe erfolgen – und zwar nach Möglichkeit geordnet, frei von Widersprüchen und vollständig. Denn später vorgebrachte Gründe müssen vom BAMF nicht mehr berücksichtigt werden.

Nicht nur die betroffenen Kinder und Jugendlichen müssen sich auf die bevorstehende Situation und ihre besonderen Anforderungen vorbereiten, sondern auch ihre rechtlichen Vertreter (Vormünder*innen, Ergänzungspfleger*innen), die diese Aufgabe im Sinne des Kindeswohls erfüllen. Begleitenden Vertrauenspersonen (z.B. Bezugsbetreuer*innen) kommt eine unterstützende Rolle zu.

Kinder und Jugendliche können im Herkunftsland und auf der Flucht Erfahrungen gemacht haben, die sie stark belasten. Sie können Gewalt, Inhaftierungen und Ausbeutung erlebt haben. Diese belastenden traumatisierenden Erlebnisse können sich in psychischen und psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren. Sie haben ggf. zur Folge, dass Minderjährige nicht in der Lage sind, über die Fluchtgründe zu sprechen oder die dazu führen, dass sie Erlebtes ausklammern. Wird dies erst in der Anhörung oder danach festgestellt, kann dies erhebliche negative Folgen für das Asylverfahren haben. Die Anhörungssituation sollte daher vorab mit dem Minderjährigen besprochen werden.

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Wie läuft die Anhörung ab?

Die Anhörung ist ein Gespräch und findet i.d.R. im Arbeitszimmer des/der jeweiligen Anhörer*in statt. Anwesend sind neben dem/der Minderjährige*n zudem ein/e Dolmetscher*in, der/die Vormund*in sowie ggf. eine Vertrauensperson – etwa der/die Bezugsbetreuer*in.

Die Anhörung orientiert sich an einem Fragenkatalog.

Die entscheidende Frage ist die nach den Fluchtgründen:

Welches sind die Gründe dafür, dass Sie (Heimatland) verlassen haben? Was befürchten Sie, wenn Sie in ihr Heimatland zurückkehren müssten?

In der Anhörung und besonders bei der Frage der Fluchtgründe wird eine eigene, freie Schilderung der Ereignisse erfragt, die dann gegebenenfalls durch die anhörende Person durch konkrete Fragen weiter aufgeklärt wird. Die Antworten werden nicht wortwörtlich, sondern in einer Zusammenfassung protokolliert. Regelmäßiges Rückübersetzen bzw. Unterbrechungen der Anhörung zur Protokollierung des Gesprächs prägen demzufolge die Anhörungssituation.

Die Dauer der Anhörung selbst kann stark variieren zwischen weniger als einer Stunde und mehreren Stunden. Eines der Rechte des Minderjährigen während der Anhörung ist, dass wenn nötig Pausen eingelegt werden müssen. Siehe dazu auch Welche Rechte haben Minderjährige im Asylverfahren?

Es geht bei der Anhörung nicht um die Beweisbarkeit des Geschilderten, sondern um die Glaubwürdigkeit. Es sollte alles vorgetragen werden, was wichtig erscheint, auch wenn nicht explizit danach gefragt wird. Dies ist besonders wichtig, da nachgetragene Gründe vom BAMF nicht mehr berücksichtigt werden müssen.

Was muss nach der Anhörung getan werden?

Nach der Anhörung wird das Anhörungs-Protokoll per Post zugeschickt. Es wird nur in deutscher Sprache ausgefertigt; und es empfiehlt sich, mit dem/der unbegleiteten Minderjährigen unter Hinzuziehung eines/einer Dolmetscher*in das Protokoll noch einmal durchzugehen. Dies empfiehlt sich ganz besonders, wenn in der Anhörung auf eine Rückübersetzung verzichtet worden war. Unter bestimmten Umständen können wesentliche Informationen dem BAMF schriftlich nachgereicht werden. Hierbei ist es wichtig zu erläutern, warum diese Informationen nicht bereits in der Anhörung zur Sprache gekommen sind.

Wird während des Asylverfahrens Hilfe für junge Volljährige (§41 SGB VIII) gewährt, sollte dies dem BAMF mittgeteilt werden, z.B. durch Auszüge aus dem Protokoll des Hilfeplangesprächs zum weiteren Unterstützungsbedarf. Gleiches gilt, wenn sich die persönlichen Fluchtgründe verändern, z.B. wenn ein Elternteil verstirbt, die Familie außer Landes flüchtet oder eine Erkrankung festgestellt wurde.

Was tun bei einer Ablehnung?

Bei einer Ablehnung im Asylverfahren kann vor dem Verwaltungsgericht geklagt werden. Es gelten jedoch kurze Klagefristen. Bei einer „normalen“ Ablehnung muss innerhalb von zwei Wochen geklagt werden. Wird der Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt, ist nur eine Woche Zeit, und es muss neben der Klage auch deren aufschiebende Wirkung beantragt werden.

Das Gericht überprüft daraufhin die BAMF-Entscheidung anhand des Anhörungs-Protokolls und ggf. weiterer Dokumente und Nachweise. In der Regel wird der Minderjährige oder sein rechtlicher Vertreter zudem auch vor Gericht noch einmal befragt. Bis es zum Gerichtstermin kommt, vergeht einige Zeit, es kann wenige Wochen und Monate aber auch deutlich mehr als ein Jahr dauern. Dies hängt u.a. davon ab, wieviel das lokale Verwaltungsgericht zu tun hat.

Förderung

Erstellt im Rahmen des Projektes „Gut ankommen – Fachkräfte qualifizieren“. Dieses Projekt wird aus Mittel aus dem Asyl-, Migrations- und Flüchtlingsfonds kofinanziert.

 

 

Stand Mai 2022

Material

In dieser Broschüre, die gemeinsam mit Jugendlichen erarbeitet wurde, werden die Rechte von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen kindgerecht dargestellt. Mit welchen Behörden, Ämtern und Organisationen habe ich es zu tun? Was passiert alles in der ersten Zeit? Wer kümmert sich um mich? Und vor allem: Welche Rechte gibt es? Dies und vieles mehr erfahren junge Flüchtlinge in der Broschüre.

Dies ist die deutsche Version der Broschüre, eine Übersicht aller Sprachen finden Sie hier.

(Februar 2017)

Seit dem 29. Juli 2017 sind die Jugendämter während der Inobhutnahme von unbegleiteten Minderjährigen in bestimmten Fällen zur unverzüglichen Asylantragstellung verpflichtet. Diese Pflicht setzt allerdings voraus, dass in einer asylrechtlichen Einzelfallprüfung gemeinsam mit dem Kind/Jugendlichen ermittelt wurde, dass die Voraussetzungen für die Asylantragstellung vorliegen sowie dass die persönliche Situation des Kindes/Jugendlichen die Stellung des Asylantrags zu diesem Zeitpunkt zulässt. Das Kind/der Jugendliche ist zwingend an dieser Entscheidung zu beteiligen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, besteht nach § 42 Abs. 2 Satz 5 SGB VIII keine Pflicht des Jugendamtes (ASD) zur unverzüglichen Asylantragstellung. In dieser Arbeitshilfe wird deutliche welche Schritte notwendig sind und warum pauschale Asylantragstellungen ohne Einzelfallprüfung vor diesem Hintergrund unzulässig sind.

(Oktober 2017)

Wie kann ich einen Asylantrag stellen? Welche Rechte habe ich im Asylverfahren? Wie kann ich mich auf die Anhörung vorbereiten? Was kann ich machen, wenn mein Asylantrag abgelehnt wurde? Welche Wege und Möglichkeiten gibt es, neben dem Asylverfahren, um in Deutschland zu bleiben? Wen kann ich fragen, wenn ich Hilfe brauche? Was ändert sich, wenn ich 18 Jahre alt werde? Dies und vieles mehr wird in einfacher Sprache erklärt und durch (Schau-)Bilder ergänzt, welche die erklärten Begriffe darstellen.

Bestellung der Print-Version: Richten Sie Ihre Bestellung bitte an nds@nds-fluerat.org. Das Heft kann kostenfrei bestellt und zugeschickt werden. Die Höchstmenge beträgt 20 Exemplare. Bitte geben Sie bei ihrer Bestellung Ihre Anschrift sowie die gewünschte Stückzahl an.

(Flüchtlingsrat Niedersachsen, Mai 2019)

Asylantrag: ja oder nein? Welche alternativen aufenthaltsrechtlichen Möglichkeiten gibt es? Was können Argumente für eine (schnellst mögliche) Asylantragstellung sein? Was gilt es bei einem Asylantrag für unbegleitete Minderjährige aus sogenannten “sicheren Herkunftsländern” zu beachten? Welche Auswirkungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht gibt es bei einer Vormundschaftsbestellung über das 18. Lebensjahr hinaus? Wie gestaltete sich das Anhörungssetting.

Diese und viele weitere Fragen beantwortet die vom Flüchtlingsrat Thüringen e.V. und dem Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. publizierte Arbeitshilfe für Jugendämter, Vormund*innen und Betreuer*innen.

(November 2019, 35 Seiten)

 

Für alle die schnell etwas nachschlagen wollen oder anfangen sich einzuarbeiten: In unseren kurzen Basisinformationen erhalten Sie im handlichen Format, die wichtigsten Informationen zu den jeweiligen Themen sowie Hinweise zu weiterführenden Informationen.

#1 Junge Volljährige, #2 Alterseinschätzung, #3 Vormundschaft, #4 Betreuung durch Verwandte, #5 Umverteilung und Inobhutnahme, #6 Asylverfahren, #7 Clearingverfahren, #8 Pflegefamilien

Bei einer Bestellung erhalten Sie pro gewählter Stückzahl je eine der acht Basisinformationen.

(September 2019)

Eine Arbeitshilfe für Vormünder und Begleitpersonen zur Begleitung von umF und jungen volljährigen Geflüchteten im asylrechtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht. Inhalt: Der Ablehnungsbescheid des BAMF, das Rechtsmittel der „Klage“, die Klagebegründung, der Umgang mit neuen Umständen im Laufe des Klageverfahrens, die mündliche Verhandlung, das Gerichtsurteil.

Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V., Flüchtlingsrat Thüringen e.V. und BumF e.V.

(Mai 2019)

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