Jugendhilfe wird im SGB VIII geregelt.
Im §1 SGB VIII steht, dass jeder junge Mensch das Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer selbstbestimmen, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit hat.
Jugendhilfe soll demnach
- junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen,
- jungen Menschen ermöglichen oder erleichtern, entsprechend ihrem Alter und ihrer individuellen Fähigkeiten in allen sie betreffenden Lebensbereichen selbstbestimmt zu interagieren und damit gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilhaben zu können,
- Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen,
- Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen,
- dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie
- eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen.
Dem Jugendamt kommt hierbei eine sogenannte Wächterfunktion zu. Es muss nicht nur beraten, begleiten und vermitteln, sondern auch über das Wohl des Kindes wachen.
Das SGBVIII ist das einzige Sozialgesetzbuch, dass nicht nach Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsdauer oder Nationalität fragt, es steht auch geflüchteten Kindern und Jugendlichen und ihren Familien mit seinem gesamten Leistungskatalog offen.
Der Anspruch auf bedarfsgerechte Leistungen entsteht in der Regel mit der Einreise, spätestens aber mit der Begründung des tatsächlichen Lebensmittelpunktes in Deutschland (§ 6 Abs. 4 SGB VIII i.V.m. Art. 5 Haager Kinderschutzübereinkommen (KSÜ)). Damit ist der Anspruch unabhängig von kommunaler Verteilung und dem Verlassen der Aufnahmeeinrichtung.
Neben den Hilfen zur Erziehung (HzE ab §27ff) sind dies vor allem: Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit, Förderung in Kindertagespflege (§24SGBVIII), Angebote zur Förderung der Erziehung in der Familie und frühe Hilfen (§16SGBVIII ff), Aufgaben im Rahmen der Beistandschaft und Vormundschaften (§52a ff SGBVIII), vorläufige Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (§42ff SGBVIII) sowie weitere individuelle Leistungen.
Grundlage des pädagogischen Handlungsbedarfs ist die Hilfeplanung. Am Hilfeplanverfahren sind der/die Jugendliche, der/die fallzuständige Mitarbeiter/in im Sozialen Dienst des Jugendamtes, die Bezugsbetreuung aus der Jugendhilfeeinrichtung, der Vormund, ggf. ein/eine Dolmetscher/in und nach Bedarf weitere Personen (z.B. Angehörige oder Therapeuten) beteiligt . Im Rahmen des Hilfeplangespräches, das in der Regel im halbjährlichen Rhythmus erfolgt, werden mit allen Beteiligten die Ziele der Hilfe reflektiert und ggf. neu festgelegt. Hierbei sind die Sichtweisen und der Wille des jungen Menschen je nach Reifegrad anzuhören und zu berücksichtigen
Handlungsleitend sind bei dem Gespräch in der Praxis folgende W-Fragen:
- Warum ist die Hilfe notwendig?
- Welche Ziele werden gesetzt?
- Wie wird die Zielerreichung festgestellt?
- Welche Hilfeform ist geeignet?
- Durch wen wird die Hilfe geleistet?
- Wie lange wird diese Hilfe voraussichtlich zu leisten sein?
- Wie erfolgt die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten?
Die handlungsorientierte SMART-Methode hat sich in der Praxis als hilfreich erwiesen und berücksichtigt die folgenden Kriterien bei der Formulierung von Zielen:
S = Spezifisch. Die genannten Ziele sind eindeutig und konkret, Verhaltens- oder Handlungsweisen sind benannt und einer Person zugeordnet. Ziele sind positiv formuliert.
M = messbar. Die Zielerreichung lässt sich beobachten, messen und überprüfen.
A = akzeptabel. Ziele sind mit den Bedürfnissen der Beteiligten kompatibel bzw. im Konsens erstellt.
R = realistisch: Das Ziel ist unter den gegebenen finanziellen, personellen und rechtlichen Rahmenbedingungen erreichbar.
T = terminiert. Ein Termin für die voraussichtliche Zielerreichung ist angegeben, sowie der Zeitrahmen in dem das Ziel zumindest teilweise erreicht oder überprüft wird.
Aus den vereinbarten Handlungszielen werden Handlungsschritte abgeleitet. Wichtig ist hierbei eine prozessorientierte Sichtweise. Ziele müssen oft neu überdacht und Hilfeformen angepasst werden.
Folgende Hilfen zur Erziehung kommen bei umF in Frage:
Heime, Jugendwohngemeinschaften und betreutes Einzelwohnen sind die häufigsten Unterbringungsformen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Die Einrichtungen können eine Vollzeit – oder Teilzeitbetreuung umfassen, je nachdem, wie selbständig die jungen Menschen bereits sind. Jüngere werden in der Regel in Rund- um- die- Uhr- Settings betreut. Bei mehr Selbständigkeit sind Strukturen mit betreuungsfreien Zeiten denkbar.
Folgende Settings sind möglich:
- 24h Angebot: hier werden junge Menschen betreut, die in ihrem Alltag relativ viel Unterstützung benötigen. Sie erlernen noch einen selbständigen Tagesablauf (rechtzeitig aufstehen, zu Bett gehen, Mahlzeiten etc) und es sind rund um die Uhr Erzieher*innen und Sozialarbeiterinnen vor Ort und können die jungen Menschen kleinteilig unterstützen und anleiten. Die jungen Menschen bekommen lediglich ein Taschengeld zu ihrer freien Verfügung.
- BEW -betreutes Einzelwohnen- oder BWG – betreute WG: Für junge Menschen ab 15 Jahren gibt es die Möglichkeit in teilbetreute Wohnformen zu ziehen. Voraussetzung dafür ist, dass sie eine Tagesstruktur haben und diese in der Regel auch selbständig einhalten. Nachts und am Wochenende sind in der Regel betreuungsfreie Zeiten. Viele BEWs haben Treffpunktbüros, die die Jugendlichen neben den individuell vereinbarten Terminen aufsuchen können. Es werden unterschiedliche Betreuungsdichten (=Anzahl der Termine mit Bezugsbetreuung) vorgehalten, die sich nach dem Bedarf der jungen Menschen richten. Es gibt hierzu eine Vielzahl von pädagogischen Konzepten. Einige Einrichtungen sind nur für geflüchtete Minderjährige gedacht, in anderen Einrichtungen werden sie zusammen mit deutschen Jugendlichen betreut.
Pflegefamilien müssen Voraussetzungen erfüllen: sie müssen etwa Erfahrung im Umgang mit Jugendlichen haben und sich qualifiziert haben. Das Jugendamt entscheidet unter Beteiligung des Minderjährigen darüber, ob in einer Familie untergebracht wird. Oft handelt es sich dabei um Verwandte: Diese haben ebenso wie andere Pflegefamilien Anspruch auf Unterstützung durch das Jugendamt.
Diese Hilfeform ist durch eine besonders intensive Betreuung des jungen Menschen gekennzeichnet und kommt z.B. bei schweren Erkrankungen in Frage. Sie kann ambulant und stationär erfolgen oder auch ergänzend zu anderen Hilfeformen gewährt werden.
Die Hilfe nach §35a SGB VIII kann gewährt werden, wenn Betroffene aufgrund ihrer seelischen Gesundheit länger als sechs Monate an der Teilhabe an der Gesellschaft gehindert sind. Das kann für psychische Erkrankungen (Depressionen, Schizophrenie etc) aber auch für PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) der Fall sein. In dem Fall findet eine Begutachtung durch einen Kinder- und Jugendpsychiater oder –psychotherapeuten statt. Bei der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des §35a können in der Folge Hilfen leichter und länger bewilligt werden und es können weitere individuelle Maßnahmen begründet werden. Für den Anschluss an die Jugendhilfe gibt es die Möglichkeit Eingliederungshilfe nach dem SGB II zu bekommen.
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jetzt anmeldenAlleinerziehende Eltern mit einem Kind unter sechs Jahren sollen in einer geeigneten Wohnform gefördert werden, wenn sie aufgrund ihrer Persönlichkeitsentwicklung Förderung benötigen. Dies schließt auch Minderjährige ein, die mit einem Kind nach Deutschland kommen.
Bei Bedarf müssen die vorher genannt Formen der Hilfe zur Erziehung auch über das 18. Lebensjahr hinaus gewährt werden (§41 SGB VIII). Zwar besteht keine Antragspflicht im SGB VIII, aus Transparenzgründen bietet es sich aber an, hier frühzeitig einen entsprechenden Antrag zu stellen. Mehr Informationen finden Sie dazu auf unserer Themenseite „Junge Volljährige“.
Erstellt im Rahmen des Projektes „Gut ankommen – Fachkräfte qualifizieren“. Dieses Projekt wird aus Mittel aus dem Asyl-, Migrations- und Flüchtlingsfonds kofinanziert.
Stand Mai 2022