Die Trennung von Eltern, Geschwistern und anderen Bezugspersonen stellt eine erhebliche Belastung für Kinder und Jugendliche dar. Ob ein Nachzug aus dem Herkunftsland, eine Verteilung zu Angehörigen in Deutschland oder eine innereuropäische Zusammenführung erfolgen kann, ist jedoch von vielen Faktoren, wie dem Aufenthaltsstatus, Alter und Verwandtschaftsgrad abhängig.
Meldungen
Familiennachzug JETZT: Demo am 22. Februar in Berlin
12.02.2024

Aktuell warten zehntausende Familien, die durch Flucht und Verfolgung getrennt wurden, darauf, in Deutschland wieder vereint zu werden. Vor allem rechtliche Regelungen verhindern, dass ihr Familiennachzug schnell, rechtssicher und human erfolgen kann. Die „Ampel“-Koalition hatte in ihrem Koalitionsvertrag im November 2021 gesetzliche Verbesserungen versprochen- doch seitdem ist nichts passiert. Selbst in Fällen, in denen Betroffene bereits heute einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug haben, führen mangelnde Digitalisierung und langsame Behörden zu endlosen Verfahren, die sich in der Regel über mehrere Jahre ziehen.

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Zum Tag der Menschenrechte: Familiennachzug jetzt erleichtern!
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Zum Internationalen Tag der Menschenrechte fordert der BumF e.V. den Familiennachzug zu subsidiär Geschützten mit dem Familiennachzug zu Personen mit Schutz nach Genfer Flüchtlingskonvention gleichzustellen.

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Hintergrund
Getrennte Familien und Flucht

Familien werden aufgrund von Krieg, Verfolgung oder anderen bedrohlichen Umständen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Auf der Flucht werden Familienmitglieder häufig voneinander getrennt. So kommen viele geflüchtete Kinder und Jugendliche ohne ihre Eltern und Geschwister nach Deutschland. Minderjährige (unter 18-Jährige), die ohne beide Elternteile einreisen nennt man unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (umF). Aber auch junge Menschen, die in Begleitung nur eines Elternteils eingereist sind, während die restliche Familie zurückgeblieben ist, sehnen sich nach den zurückgebliebenen Familienmitgliedern. Die Unterstützung und der Rückhalt durch die Familie ist gerade im Kontext der Flucht eine zentrale Bedingung für ein gelingendes Ankommen. Die erste Frage von jungen Menschen, die von ihrer Familie getrennt sind, ist meistens nicht „Wie kann ich meinen Aufenthalt sichern?“, aber „Wann kann ich meine Familie wiedersehen?“.

Der Familiennachzug umfasst unterschiedliche Konstellationen, die aufgrund des Familienverhältnisses, des Aufenthaltsstatus der Person in Deutschland sowie des Aufenthaltsorts der Angehörigen zu unterschiedlichen Rechtsansprüchen führen.

Checkliste zur Ermittlung der Sachlage und der Möglichkeiten der Familienzusammenführung

(vgl. Broschüre “Migration im Fokus/Familiennachzug” (November 2021), S. 17)

  • Aufenthaltsstatus des*der Stammberechtigten (d.h. des Familienmitglieds in Deutschland) prüfen
  • Ist der*die Stammberechtigte oder nachzugswillige Angehörige (noch) minderjährig?
  • Fristablauf für den erleichterten Familiennachzug prüfen (3 Monate ab Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft)
  • Feststellen, welche Angehörige nachziehen sollen
  • Feststellen, wo sich die Angehörigen aufhalten
  • Prüfen, welche Auslandsvertretung für den Antrag zuständig ist
  • Prüfen, ob ein Sonderfall vorliegt
Familiennachzug aus dem Herkunftsland oder einem Drittland

Personen, denen der Flüchtlingsstatus zugesprochen wurde (§3 AsylG oder §16a GG), ist es möglich, Familienmitglieder aus dem Herkunftsland oder einem Transitland, in dem sich die Familie legal aufhält, nach Deutschland zu bringen.
Diese Art des Familiennachzugs beschränkt sich auf die sogenannte Kernfamilie und umfasst Verwandte 1. Grades (Eltern und Kinder) sowie Ehepartner. Volljährigen Personen ist es möglich, Ehegatten (§30 AufenthG) und minderjährige Kinder (§32 AufenthG) aus dem Herkunftsland nach Deutschland zu holen.


Für die Familienzusammenführung zu Flüchtlingen hat das Auswärtige Amt
eine Webseite mit Informationen eingerichtet: https://fap.diplo.de.

Wichtige praktische Hinweise zum Nachweis der fristwahrenden Anzeige (vgl. S. 23 Link zur Broschüre “Migration im Fokus/Familiennachzug” (November 2021)).

Weitere hilfreiche, praktische Tipps befinden sich in der Broschüre u.a. zum Nachweis von Beweismitteln über die Identität und Urkunden zur Vorsprache, zur Terminvereinbarung und zum Zugang zur Auslandsvertretung


Bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (umF), die den Flüchtlingsstatus zuerkannt bekommen haben, besteht ein Anspruch auf Nachzug beider Eltern in jedem Fall bis zum Erreichen des 18. Lebensjahrs (§36 Abs. 1, BVerwGE 10 C 9.12). Der Anspruch setzt voraus, dass der Minderjährige ohne einen personensorgeberechtigten Elternteil in Deutschland lebt; es ist aber unschädlich für den Anspruch, wenn die Minderjährigen mit anderen Verwandten eingereist sind oder mit ihnen leben. Dieser Anspruch besteht ohne Nachweis der Sicherung des Lebensunterhalts oder von Wohnraum. Denn: Eltern haben ein Recht auf ihre Kinder, Kinder haben ein Recht auf ihre Eltern.

Neue EuGH-Entscheidungen zum Zeitpunkt der Minderjährigkeit

Beim Nachzug der Eltern zum UMF (minderjährig zum Zeitpunkt der Asylantragsstellung) und beim Nachzug der minderjährigen Kinder zu ihren Eltern mit Flüchtlingsanerkennung  ist die Rechtslage in Deutschland nun endlich durch zwei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 01.08.2022 geklärt.

In diesen Entscheidungen auf Vorlagefragen des Bundesverwaltungsgerichts nimmt das Gericht unter anderem zu der Frage Stellung, zu welchem Zeitpunkt die Minderjährigkeit vorliegen muss, um das Recht auf Familiennachzug in Anspruch nehmen können.

Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Zeitpunkt der Asylantragsstellung. Bei den Kindern, die ihre Eltern nachholen wollen ist es der Zeitpunkt ihrer eigenen Asylantragstellung. Bei Eltern, die ihre minderjährigen Kinder nachholen wollen ist maßgeblich, on die Kinder zum Zeitpunkt der Asylantragstellung des Personensorgeberechtigten noch minderjährig waren.

Der Antrag auf Familienzusammenführung ist in innerhalb einer vom EuGH als angemessen angesehenen Frist von drei Monaten ab dem Tag zu stellen, an dem die Anerkennung der Referenzperson (Personensorgeberechtigte*r oder Kind) als Flüchtling bestandskräftig erfolgte.

Der EuGH hat in diesen Entscheidungen noch einmal bestätigt, was der EuGH mehr als zwei Jahre zuvor am 12. April 2018 entschieden (EuGH C-550/16) hatte, nämlich, dass der Eintritt der Volljährigkeit während des Asylverfahrens kein Hindernis für den Elternnachzug darstellt, solange der Asylantrag vor dem 18. Geburtstag gestellt wird. Die 2018 ergangene Entscheidung betraf die Niederlanden und Deutschland vertrat die Rechtsauffassung, dass dies für Deutschland so nicht anwendbar sei.

Bei anhängigen Verfahren sind die Vorgaben des EuGHs in jedem Fall zu berücksichtigen.

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Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte: Härtefallregelung

Fraglich ist, ob die neuen EuGH-Rechtsprechungen bezüglich des Zeitpunkts der Minderjährigkeit auf subsidiär Schutzberechtigte übertragbar ist. Es könnte sich dabei um einer nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung handeln, aber diese Frage ließe sich nur durch ein weiteres Grundsatzverfahren klären.

Für subsidiär Schutzberechtigte gibt es momentan nur Elternnachzug nach der Härtefallregelung des (der Anspruch auf Elternnachzug wurde durch § 104 Abs. 13 AufenthG ausgesetzt). Allerdings können nach der Härtefallregelung des § 36 a AufenthG bis zu 1.000 Familienangehörige von subsidiär schutzberechtigten Personen pro Monat nach Deutschland einreisen. Im Rahmen dieses Kontigentes können unter bestimmten Voraussetzungen auch Eltern von unbegleiteten Minderjährigen ein Visum erhalten. Das Kontingent wurde im letzten Jahr lange nicht ausgeschöpft und hier soll ermutigt werden, die Anträge auf Familienzusammenführung auch bei Zuerkennung von subsidiärem Schutz zu stellen. Informationen zum Verfahren finden sich auf der

Im neuen Koalitionsvertrag 2021 wurde vereinbart: »Wir werden die Familienzusammenführung zu subsidiär Geschützten mit den GFK-Flüchtlingen gleichstellen«. Die gesetzliche Umsetzung fehlt noch.

Geschwisternachzug

Für den Geschwisternachzug gibt es unterschiedliche Möglichkeiten:

  • 32 Abs. 1 AufenthG:

Es gibt die Möglichkeit für die Geschwister beim Nachzug der Eltern zum umF ein Visum zu den Eltern mit den Eltern zu beantragen. Die Vorwirkung des Visums, die man auch in anderem Zusammenhang kennt, eröffnet für die minderjährigen Geschwister des umF die Chance, gemeinsam mit den Eltern einzureisen. Sie erhalten in diesem Fall ein Visum zum Kindernachzug zu den Eltern mit den Eltern. Gesetzliche Grundlage dafür ist der § 32 Abs. 1 AufenthG. Vorteil dieser Form des Geschwisternachzugs ist, dass dadurch nicht die sonst geltende Nachzugsgrenze des vollendeten 16. Lebensjahres (§ 32 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) gilt, weil in solchen Fällen die Kinder gemeinsam mit den Eltern den Lebensmittelpunkt nach Deutschland verlegen.

Dafür ist jedoch grundsätzlich erforderlich, dass der Lebensunterhalt bezahlt und ausreichend Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann – das stellt in der Praxis ein großes Problem dar. Zu beachten ist, dass zur Sicherung des Lebensunterhaltes auch der Krankenversicherungsschutz zählt.

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, den Nachweis zu erbringen, z.B. durch(vgl. S. 63 Link zur Broschüre “Migration im Fokus/Familiennachzug” (November 2021)):

  • Verpflichtungserklärungen,
  • Vermögen der Familie,
  • konkrete und nachprüfbare Arbeitsangebote für die nachziehenden Eltern, sofern diese ausnahmsweise Aussicht auf eine Beschäftigung haben. Das Angebot reicht aus, da Angehörige, die über den Familiennachzug nachreisen, nach § 27 a 5 AufenthG auf dem Arbeitsmarkt zugelassen sind und keine Vorrangprüfung stattfindet.
  • Im Einzelfall sind auch Ausnahmen möglich, wenn nur kleine Beträge zur Sicherung des Lebensunterhalts fehlen und der Krankenversicherungsschutz vorliegt

Beim Nachweis der Lebensunterhaltssicherung handelt es sich um eine sogenannte Regelerteilungsvoraussetzung (Gesetzeswortlaut § 5 I Nr. 1 AufenthG: in der Regel). Von der Erfüllung dieser Voraussetzung kann in einem atypischen Fall abgewichen werden, was in der Rechtsprechung vertreten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg 19.12.2018 – 3 S 98.18 mit Hinw. Auf EUGH 12.4.2018 – C-550/16) und auch im Runderlass des Auswärtigen Amtes vom 20.03.2017 erwähnt wird, in dem das Auswärtige Amt auf diverse Rechtsgrundlagen zum Familiennachzug zu umF eingegangen ist. Laut Runderlass ist bei der Beurteilung, ob ein atypischer Fall vorliegt, Folgendes in Betracht zu ziehen:

„In Frage kommen hierbei Aspekte wie aktuelle Lebenssituation der Kinder (Unterkunft im Flüchtlingslager, bei Verwandten, im eigenen Wohnort o. ä.), die Betreuungssituation nach Ausreise der Eltern (Zumutbarkeit, dass ein Elternteil vorerst zurückbleibt, Betreuungsmöglichkeiten durch Verwandte oder ältere Geschwister) etc. Hierbei ist eine hinreichende Glaubhaftmachung der indivi­duellen Situation erforderlich, die bloße Behauptung genügt nicht.“

Noch schwieriger ist der Nachweis der zwingenden Voraussetzung des ausreichenden Wohnraumes für die nachziehenden Geschwister (vgl. § 29 I Nr. 2 AufenthG), von der grundsätzlich keine Ausnahme möglich ist. Jedoch gibt es auch hier Hinweise in der Rechtsprechung, dass davon abzusehen ist (vgl. VG Berlin 10.10.2019 – 38 L 106.19 V, JAmt 2020, 597).

Wenn Sie den Lebensunterhalt des Geschwisterkindes nicht bestreiten können oder nicht ausreichend Wohnraum zur Verfügung haben und mit Unterstützung eines Rechtsanwalts/ einer Rechtsanwältin klagen wollen, wenden Sie sich an unseren Rechtshilfefond.

  • 36 Abs. 2 AufenthG und § 22 AufenthG:

Als zweite Rechtsgrundlage nennt der Runderlass § 36 Abs. 2 AufenthG.

Hier erfolgt der Geschwisternachzug direkt zu dem hier lebenden unbegleiteten Minderjährigen als Stammberechtigten ohne den Umweg über den Elternteil. § 36 Abs. 2 AufenthG ist aber kein Anspruch, aber eine Ermessensvorschrift und erfordert das Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte. Die Prüfung unterliegt dabei den kommunalen Ausländerbehörden(Verwaltungsvorschrift zu §36 AufenthG).

Die Rechtsprechung führt zu dem Begriff der „außergewöhnlichen Härte“ aus:

„Eine außergewöhnliche Härte in diesem Sinne setzt grundsätzlich voraus, dass der
schutzbedürftige Familienangehörige ein eigenständiges Leben nicht führen kann, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe dringend angewiesen ist, und dass diese Hilfe in zumutbarer Weise nur in Deutschland erbracht werden kann. Ob dies der Fall ist, kann nur unter Berücksichtigung aller im Einzelfall relevanten, auf die Notwendigkeit der Herstellung oder Erhaltung der Familiengemeinschaft bezogenen konkreten Umstände beantwortet werden.“

Der Geschwisternachzug setzt zudem grundsätzlich ausreichend Wohnraum und Sicherung des Lebensunterhalts voraus. Ob hierauf verzichtet werden kann, muss anhand des jeweiligen Einzelfalls geprüft werden.

Allgemeines, lesenswertes Gutachten von Save the Children zum Geschwisternachzug

Verfahren zur Antragsstellung

Der reguläre Familiennachzug kann beantragt werden, wenn das in Deutschland lebende Familienmitglied seine Anerkennung im Asylverfahren erhalten hat. Alle Familienmitglieder, die nach Deutschland nachziehen möchten, müssen dann einen Antrag bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung persönlich stellen. Lebt die Familie in einem Drittland oder ist die deutsche Auslandsvertretung im Land der Familie geschlossen, kann die zuständige deutsche Auslandsvertretung über die Website des Auswärtigen Amts ermittelt werden.

Die Terminvergabe wird von den deutschen Auslandsvertretungen selbst organisiert und erfolgt in der Mehrheit der Staaten über ein Online – System.

Die für den Nachzug notwendigen Dokumente richten sich nach dem Herkunftsland der Nachziehenden – auf der Website der Auslandsvertretung finden sich dazu die entsprechenden Informationen. Je nach Herkunftsland können von den deutschen Auslandsvertretungen neben Urkunden auch DNA -Tests verlangt werden.

Die kommunale Ausländerbehörde am Wohnort des anerkannten Flüchtlings wird informiert und muss/kann – je nach rechtlicher Grundlage – ihre Zustimmung erteilen. Nach einer Prüfung stellt die deutsche Auslandsvertretung dann ein Visum zur Einreise aus.

Wird eine Familienzusammenführung abgelehnt, bzw. wird kein Antragstermin vergeben oder gar nicht reagiert, kann rechtlich dagegen vorgegangen werden. Geklagt wird dabei immer gegen die deutsche Auslandsvertretung als Visumausstellende Institution. Zuständig für Klagen gegen deutsche Auslandsvertretungen ist das Verwaltungsgericht Berlin.

Unterstützung

Unterstützung beim Familiennachzug bieten unter anderem die International Organization for Migration, PRO ASYL, Flüchtlingsräte, Flüchtlingspaten Syrien, Equal Rights Beyond Borders e.V. und der Internationale Sozialdienst. Anwaltliche Unterstützung ist besonders in komplizierteren Fällen ratsam. Die Diakonie Deutschland hat zudem einen Fonds zur finanziellen Unterstützung aufgelegt.

Familienzusammenführungen innerhalb Europas

Unbegleitete Minderjährige können unter bestimmten Voraussetzungen mit Angehörigen in Europa zusammengeführt werden. Die Dublin-Verordnung ermöglicht, dass ein anderer EU-Staat ihr Asylverfahren übernimmt, wenn sich dort Eltern und Geschwister oder Tanten, Onkel oder Großeltern aufhalten (Art. 8 Dublin-III-Verordnung). Umgekehrt können unter bestimmten Voraussetzungen auch Eltern und Geschwister zu einem Minderjährigen nach Deutschland, wenn diese z.B. später als der Minderjährige einreisen (Art. 9, Art. 7 Abs. 3 Dublin-III-Verordnung sowie Erwägungsgründe 13 bis 18 der Verordnung).

Die nachziehenden Personen sollten am besten direkt bei der Asylantragstellung (schriftlich) den Wunsch äußern, von dem Mitgliedstaat aufgenommen zu werden, in dem sich ein Familienmitglied befindet, damit bestehende Fristen eingehalten werden können. Hierzu ist es oft notwendig, mit einer Flüchtlingsorganisation in dem zuständigen EU-Land Kontakt aufzunehmen, um das dortige Verfahren zu klären und notwendige Unterlagen aus Deutschland zusenden zu können. Auf w2eu.info finden Sie Kontakte von Flüchtlingsorganisationen in anderen europäischen Ländern.

Gleichzeitig sollte der Fall bei der BAMF-Außenstelle, die für die Dublin-Verfahren zuständig ist, schriftlich dargelegt und dort um Unterstützung gebeten werden.

Das Verfahren muss immer vom „abgebenden“ EU-Staat aus betrieben werden, der ein sogenanntes Aufnahmegesuch stellen muss. Halten sich z.B. die Eltern eines Minderjährigen in Griechenland auf, müssen sich die griechischen Behörden an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wenden, damit das Verfahren in Gang kommt. Gleiches gilt z.B. auch, wenn ein unbegleiteter Minderjähriger in Italien ankommt und zu seiner Tante nach Deutschland will. In diesem Fall müssen sich die italienischen Behörden an das BAMF wenden und ein Aufnahmeersuchen stellen. Wollen etwa Minderjährige aus Deutschland zu Angehörigen in Norwegen, muss sich wiederum das BAMF an die norwegischen Behörden wenden.

Die Frage einer Familienzusammenführung (aufgrund der Dublin-Verordnung) ist durch das Jugendamt während der vorläufigen Inobhutnahme zu prüfen.

Da eine Zusammenführung ausgeschlossen ist, wenn diese nicht dem Kindeswohl dient, muss in jedem Einzelfall zudem die zuständige Jugendschutzbehörde eingebunden werden und eine Kindeswohlprüfung vornehmen.

Auf der Themenseite „Informationen zum Verfahren der Familienzusammenführung“ des Informationsverbund Asyl & Migration finden Sie detaillierte Informationen zum Vorgehen und zu den Voraussetzungen einer Zusammenführung.

„Familienzusammenführung“ innerhalb von Deutschland (=Umverteilung)

Wenn sich alle Familienmitglieder schon in Deutschland befinden spricht man nicht von Familiennachzug, aber von einer Umverteilung. Wollen unbegleitete Minderjährige zu Angehörigen in Deutschland ziehen, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten.

Zunächst muss das Jugendamt während der vorläufigen Inobhutnahme prüfen, ob eine Zusammenführung mit Angehörigen erfolgen kann (§42a SGB VIII). Maßgeblich ist dabei nicht, ob die Angehörigen die Minderjährigen auch aufnehmen können, die Zusammenführung kann auch alleine zur Herstellung räumlicher Nähe erfolgen, wenn dies im Sinne des Kindeswohls ist. In diesen Fällen muss das Jugendamt von einer bundesweiten Quoten-Verteilung absehen und die Zusammenführung auf den Weg bringen. Leben die Verwandten in großer Distanz zum vorläufig in Obhut nehmenden Jugendamt und soll das Kind/Jugendlicher in deren Nähe untergebracht werden, so kann das zuständige Jugendamt dies ohne einen Zuständigkeitstransfer verfügen.

FAQ: Umverteilung: Wie können uM zu ihren Angehörigen in anderen deutschen Städten gelangen?

Befindet sich ein Jugendlicher bereits in der Inobhutnahme oder einer Anschlussversorgung, ist das Verfahren ähnlich. Die rechtliche Vertretung kann entweder eine Unterbringung in räumlicher Nähe zu Angehörigen, z.B. in einer Wohngruppe (§34 SGB VIII), oder im Rahmen der Vollzeitpflege (§33 SGB VIII) bei den Angehörigen beantragen, sofern dies dem Kindeswohl dient. Hierzu ist ebenfalls kein Zuständigkeitstransfer notwendig. Das Jugendamt am Wohnort der Angehörigen kann jedoch im Rahmen der regulären Inobhutnahme die Zuständigkeit für Minderjährige übernehmen, sofern dies aus humanitären und Kindeswohlgesichtspunkten geboten ist (§ 88a Abs. 2 S. 3 SGB VIII).

Details zur innerdeutschen Zusammenführung finden sich in der Handreichung des Deutschen Vereins für die Zusammenarbeit der Akteure im Bereich der Familienzusammenführung, an denen der BumF mitgewirkt hat.

Pädagogische Begleitung

Juristische Fragen sind für eine Familienzusammenführung ausschlaggebend, aber damit diese dauerhaft gelingt, ist die pädagogische Begleitung sehr relevant. Es muss in jedem Einzelfall von Beginn an eine umfassende Begleitung von Kindern und Eltern stattfinden. Das Thema Familie und Familienzusammenführung gehört von Anfang an in die Perspektivabklärung und sollte Bestandteil der Hilfeplanung sein.

Dazu gehört auch die Unterstützung der Jugendhilfe bei einem frühzeitigen Kontakt mit der Familie, um eine Entscheidung aller Beteiligter herbeizuführen, ob eine Zusammenführung gewünscht ist. Gerade aufgrund der rechtlichen Unsicherheit, ob es letzten Endes eine Zusammenführung geben wird, ist Elternarbeit im Rahmen der Möglichkeiten dringend erforderlich. Unterstützung durch die Jugendhilfe sollte sowohl während des Prozesses, als auch bei einer gelungenen Zusammenführung, als auch bei nicht erfolgter Zusammenführung stattfinden.

Förderung

Erstellt im Rahmen des Projektes „Gut ankommen – Fachkräfte qualifizieren“. Dieses Projekt wird aus Mittel aus dem Asyl-, Migrations- und Flüchtlingsfonds kofinanziert.

Stand: August 2022

Kontaktperson: l.giuliani@b-umf.de

Material

Während im Jugendhilfe- und Familienrecht Verfahren zur Berücksichtigung des Kindeswohls existieren, fehlen diese zumeist in den aufenthaltsrechtlichen Vorschriften. Daher hat der Bundesfachverband umF eine Arbeitshilfe erarbeitet, um Ausländerbehörden dabei zu helfen, ihre Arbeit mit umF zu verbessern und ein grundlegendes Verständnis für die Aufgabenbereiche der Jugendhilfe zu entwickeln.

(November 2017)

In dieser Broschüre, die gemeinsam mit Jugendlichen erarbeitet wurde, werden die Rechte von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen kindgerecht dargestellt. Mit welchen Behörden, Ämtern und Organisationen habe ich es zu tun? Was passiert alles in der ersten Zeit? Wer kümmert sich um mich? Und vor allem: Welche Rechte gibt es? Dies und vieles mehr erfahren junge Flüchtlinge in der Broschüre.

Dies ist die deutsche Version der Broschüre, eine Übersicht aller Sprachen finden Sie hier.

(Februar 2017)

Den Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge erreichen vermehrt Hinweise, dass das Auswärtige Amt Anträge auf Familiennachzug, in denen während des Verfahrens die Volljährigkeit eingetreten ist, mit dem Argument ablehnt, das Urteil des EuGH vom 12. April 2018 sei in Deutschland nicht anwendbar, da eine Vergleichbarkeit mit der niederländischen Rechtslage fehle und werde daher in Deutschland nicht umgesetzt.

Im Folgenden hat der Bundesfachverband umF die Hinweise zur Umsetzung Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 12. April 2018 an der vom Auswärtigen Amt vertretene Rechtsauffassung ausgerichtet.

(Oktober 2018)

Forderungen des Bundesfachverbandes unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. zum Asyl- und Aufenthaltsrecht anlässlich der Koalitionsverhandlungen.

 

(Oktober 2017)