Bund und Länder verständigten sich in der Nacht vom 6. auf den 7. November anlässlich des Flüchtlingsgipfels auf eine Tour de Force – ganz im Sinne der aktuellen rechtspopulistischen Abschreckungspolitik. Erneut wurde sich auf die Reduzierung der Ankommenden konzentriert, dabei gerieten Kindeswohl und Menschenrechte völlig aus dem Blick. Ebenso fehlten konstruktive Vorschläge, wie die Kommunen nach jahrelangem Strukturabbau und Sparzwang auf substantielle Weise im Aufbau der nötigen sozialen Infrastruktur unterstützt werden können.
Was wurde beschlossen?
Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz werden von 18 auf 36 Monate verdoppelt. Statt Bargeld soll es in Zukunft nur noch eine bundeseinheitliche Bezahlkarte geben. Ebenso wurden die Externalisierung von Asylverfahren in Drittstaaten, verstärkte Kontrollen an Binnengrenzen zur Verhinderung “irregulärer Einreisen” und eine weitere Beschleunigung von Asylverfahren als Verhandlungsergebnisse präsentiert. Auch der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten bleibt in völliger Abkehr von den Ankündigungen im Koalitionsvertrag weiter auf 1000 Menschen pro Monat begrenzt. Insgesamt jedoch geschieht unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Entlastung vor allem eines: Entwürdigung.
Eine ausführliche Auflistung und Kommentierung der Beschlüsse findet ihr hier.
Was bedeuten die Vorschläge für Kinder und junge Geflüchtete?
Obwohl 1/3 aller nach Deutschland geflüchteten Menschen Kinder sind, finden kinder- und menschenrechtliche Erwägungen in den Beschlüssen keine Beachtung. Appelle der Wissenschaft und Zivilgesellschaft stießen auf taube Ohren.
Einzig die Länder Bremen und Thüringen haben zu Protokoll gegeben: “Bremen und Thüringen halten den späteren Anspruch auf Analogleistungen soweit dies Kinder betrifft für integrationspolitisch kontraproduktiv und unter Kindeswohlgesichtspunkten für bedenklich.”
Der BumF beobachtet bereits jetzt, dass die Rechte von jungen Volljährigen mit Jugendhilfebedarf in Großunterkünften nicht gewahrt werden. Ein jugendgerechtes Aufwachsen unter den Bedingungen von Asylbewerberleistungsgesetz und Bezahlkarten ist unmöglich. Vor allem die unzureichende Gesundheitsversorgung für die Dauer von drei Jahren bis zum Übergang in das Regelsystem stellt für Kinder und junge Erwachsene eine besonders schwerwiegende Diskriminierung dar.
Die weitere Beschränkung des Familiennachzugs zu subsidiär Geschützten bricht nicht nur eines der Hauptversprechen im migrationspolitischen Bereich des Koalitionsvertrages, es bedeutet auch unermessliches Leid für Kinder und Familien, die weiterhin über Jahre getrennt leben müssen. Das verstößt nicht nur gegen Grund- und Menschenrechte, sondern erschwert auch das Ankommen der Menschen, die in ständiger Sorge um ihre Angehörigen leben müssen.
Die Zurückweisungen an den Binnengrenzen, wie sie schon Ministerpräsident Kretschmann für Minderjährige forderte, sind in jedem Fall rechtswidrig. Das stellte der EuGH erst kürzlich klar (LTO: Zurückweisungen an den EU-Binnengrenzen rechtswidrig).
Auch darf das Recht und die Möglichkeit zum Stellen eines Asylantrages nicht durch Grenzkontrollen an Außen- oder Binnengrenzen eingeschränkt werden. Die verstärkte Kontrolle der Binnengrenzen ist folglich ein gänzlich ungeeignetes Mittel, um mit rechtsstaatlichen Mitteln die Zahl der Asylanträge zu steuern – ein für sich genommen schon überaus kritikwürdiges Vorhaben.
Alles in allem waren diese Beschlüsse im Lichte des aktuellen Diskurses erwartbar und sind trotzdem genauso schockierend. Es ist ein weiteres Mal die Abkehr von einer menschen- und kinderrechtebasierte Migrationspolitik. Es fehlen konstruktive Lösungen in der Unterstützung der Kommunen und Aufnahmestrukturen bei den Herausforderungen durch eine nachhaltige Stärkung der sozialen Infrastrukturen.