Für die meisten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge gibt es keinen legalen Weg nach Europa. Daher sind sie dazu gezwungen “illegal” und oft auf gefährlichen Routen einzureisen. Es gilt dabei die Faustregel: Je stärker sich die EU abschottet und je höher die Zäune werden, desto gefährlicher wird der Weg. Eine Zeit lang konnten Geflüchtete z.B. relativ gefahrenfrei über die Balkanroute einreisen, nach den Grenzschließungen im Jahr 2016 ist dies nicht mehr möglich. Die zweite wichtige Route über das Mittelmeer ist jedoch deutlich gefährlicher, jedes Jahr sterben mehrere tausend Menschen bei dem Versuch, Europa per Boot zu erreichen.
Auf den Übersichtsseiten von PRO ASYL finden Sie einen Überblick zu den Themen EU-Asylpolitik, Tod an den Außengrenzen und Festung Europa. Borderline-Europe und bordermonitoring.eu berichten von den EU-Außengrenzen. Ankunftszahlen von minderjährigen Flüchtlingen in Europa finden sich bei UNICEF und dem UNHCR.
Die Situation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Europa unterscheidet sich stark. Die Berichte reichen hier von guten Betreuungs- und Unterbringungssituationen bis hin zu Berichten über Obdachlosigkeit, Ausbeutung und Inhaftierung. In allen EU-Ländern gelten jedoch europarechtliche Vorgaben. Es gilt z.B. immer das sogenannte „Best Interest“-Prinzip. Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, muss das Wohl des Kindes im Vordergrund stehen. Dieser Eckpfeiler der UN-Kinderrechtskonvention ist in Artikel 24 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgeschrieben.
Das Europäische Netzwerk Separated Children in Europe, in dem der Bundesfachverband UMF engagiert ist, bietet Informationen rund um das Thema umF in Europa an. Der Europäische Flüchtlingsrat und UNICEF veröffentlichen regelmäßig Informationen zum Thema Flüchtlinge in Europa.
Wenn unbegleitete Minderjährige in Europa ankommen, können Sie unter bestimmten Voraussetzungen mit Angehörigen in Europa zusammengeführt werden. Die Dublin-Verordnung ermöglicht, dass ein anderer EU-Staat ihr Asylverfahren übernimmt, wenn sich dort Eltern und Geschwister oder Tanten, Onkel oder Großeltern aufhalten (Art. 8 Dublin-III-Verordnung). Umgekehrt können unter bestimmten Voraussetzungen auch Eltern und Geschwister zu einem Minderjährigen nach Deutschland, wenn diese z.B. später als der Minderjährige einreisen (Art. 9, Art. 7 Abs. 3 Dublin-III-Verordnung sowie Erwägungsgründe 13 bis 18 der Verordnung).
Die nachziehenden Personen sollten am besten direkt bei der Asylantragstellung (schriftlich) den Wunsch äußern von dem Mitgliedstaat aufgenommen zu werden, in dem sich ein Familienmitglied befindet, damit bestehende Fristen eingehalten werden können. Hierzu ist es oft notwendig, mit einer Flüchtlingsorganisation in dem zuständigen EU-Land Kontakt aufzunehmen, um das dortige Verfahren zu klären und notwendige Unterlagen aus Deutschland zusenden zu können. Auf w2eu.info finden Sie Kontakte von Flüchtlingsorganisationen in anderen europäischen Ländern.
Gleichzeitig sollte der Fall bei der BAMF-Außenstelle, die für die Dublin-Verfahren zuständig ist, schriftlich dargelegt und dort um Unterstützung gebeten werden.
Das Verfahren muss immer vom „abgebenden“ EU-Staat aus betrieben werden, der ein sogenanntes Aufnahmegesuchen stellen muss. Halten sich z.B. die Eltern eines Minderjährigen in Griechenland auf, müssen sich die griechischen Behörden an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wenden, damit das Verfahren in Gang kommt. Gleiches gilt z.B. auch, wenn ein unbegleiteter Minderjähriger in Italien ankommt und zu seiner Tante nach Deutschland will. In diesem Fall müssen sich die italienischen Behörden an das BAMF wenden und ein Aufnahmeersuchen stellen. Wollen etwa Minderjährige aus Deutschland zu Angehörigen in Norwegen muss sich wiederum das BAMF an die norwegischen Behörden wenden.
Da eine Zusammenführung ausgeschlossen ist, wenn diese nicht dem Kindeswohl dient, muss in jedem Einzelfall zudem die zuständige Jugendschutzbehörde eingebunden werden und eine Kindeswohlprüfung vornehmen.
Auf der Themenseite „Informationen zum Verfahren der Familienzusammenführung“ finden Sie detaillierte Informationen zum Vorgehen und den Voraussetzungen einer Zusammenführung.
Die beiden wichtigsten Instrumente der EU stellen Verordnungen und Richtlinien dar. Verordnungen gelten unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten und müssen somit nicht in nationales Recht umgesetzt werden. Richtlinien (auch Direktiven genannt) lassen den Nationalstaaten einen gewissen Freiraum bei der Umsetzung und müssen innerhalb einer bestimmten Frist in innerstaatliches Recht umgesetzt werden. Zudem gibt es noch die Europäische Grundrechte-Charta, deren Grundrechtekatalog im Hinblick auf die Auslegung der Verordnungen und Richtlinien wesentlich ist. Die relevantesten EU-Rechtsgrundlagen finden Sie hier:
Erstellt im Rahmen des Projektes „Gut ankommen – Fachkräfte qualifizieren“. Dieses Projekt wird aus Mittel aus dem Asyl-, Migrations- und Flüchtlingsfonds kofinanziert.
Stand Mai 2022