Inobhutnahmezahlen 2019: Anteil von unbegleiteten Mädchen und unter 16-Jährigen gestiegen

Das Statistische Bundesamt hat die Inobhutnahmezahlen 2019 veröffentlicht: Der Anteil von Mädchen unter den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (umF) hat weiter zugenommen (2019: 18,6%, 2018: 17,3%, 2017: 12,0%). Zudem werden umF seit 2017 immer jünger, ein Drittel waren unter 16-Jährige, in 2017 waren es nur 27,0%. Insgesamt sind 3.564 unbegleitete Kinder und Jugendliche weniger eingereist als in 2018 und 13.845 weniger als 2017.

Jahr (vorläufige) Inobhutnahmen nach unbegleiteter Einreise m w 16- unter 18 Unter 16
2019 8.647 81,4% 18,6% 65,8% 34,2%
2018 12.211 82,6% 17,3% 69,5% 30,5%
2017 22.492 88,0% 12,0% 73,0% 27,0%

 

Situation geflüchteter Mädchen

Mädchen und junge Frauen verfügen häufig über zu wenig Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Ortes und der Art der Unterbringung im Rahmen der Jugendhilfe wie in Großunterkünften. Diese Problematik verstärkt sich insbesondere dann, wenn Kinderbetreuung zusätzlich notwendig wird. Große Entfernungen zu Vertrauenspersonen, Ausbildungsmöglichkeiten, zu Vormund*innen sowie zu spezifischen Unterstützungsangeboten sind die Folge. Die mangelnde Gewährleistung von Bildungschancen trifft insbesondere junge Mütter und Mädchen mit kurzen Bildungsbiographien. Eine so entstehenden Reproduktion genderbasierter Ausschlüsse, die sich auf die Zukunftsperspektiven der Zielgruppe massiv auswirkt, muss entgegengewirkt werden.

In der Praxis wie in der Fachöffentlichkeit existieren bundesweit jedoch noch zu wenig Wissenstransfer und Kooperationen zu Situation und Bedarfen von geflüchteten Mädchen und jungen Frauen. Die Ergebnisse der BumF-Umfrage unter Fachkräften aus 2019 zeigen, dass bundesweit zu wenig spezialisierte Angebote für unbegleitete und begleitete junge Frauen und Mädchen existieren. Von Befragten werden zum Teil eine mangelnde Gendersensibilität und entsprechende Qualifikation problematisiert. Zudem ist – so zeigt die Beratungs- und Schulungsarbeit des BumF – vielfach eine mangelnde institutionalisierte Verknüpfung zwischen Fachberatungsstellen – etwa zu Themen sexualisierter Gewalt – und Einrichtungen der Jugend- und Familienhilfe sowie Sozialarbeitenden in Unterkünften und sonstigen Beratungsangeboten zu konstatieren. In der Folge werden genderspezifische Fluchtgründe, Erfahrungen sexualisierter Gewalt und Betroffenheit von Menschen- bzw. Kinderhandel zu selten erkannt. Mädchen und jungen Frauen erhalten daher nur selten die für sie notwendige rechtliche und gesundheitsfördernde Hilfe durch spezialisierte Dienste.

Wissen und Erfahrung im Umgang mit genderspezifischen Fluchterfahrungen sowie Erfahrungen im Ankunftssystem in Jugendhilfe und Fachberatungsstellen müssen daher miteinander in Kontakt gebracht werden. Bisher gibt es hierzu in Deutschland nur vereinzelt gezielte Aktivitäten und Projekte. Kooperationen zwischen Betreuungsstrukturen und Fachberatungsstellen sowie Selbstorganisationsformen sollten daher gestärkt werden und die Adressat*innenperspektive in den Fachdiskurs eingespeist werden.

Hintergrund

Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern nach Deutschland fliehen, müssen vom Jugendamt (vorläufig) in Obhut genommen werden. Zunächst wird geklärt, welches Jugendamt zuständig ist. Entscheidend hierfür sind eine bundesweite Verteil-Quote sowie bestimmte Belange des Kindeswohls. Im Rahmen der anschließenden Inobhutnahme wird dann die Einrichtung der Vormundschaft veranlasst und gemeinsam mit dem jungen Menschen u.a. ermittelt, welche pädagogische Unterstützung er/sie benötigt und wo die Unterbringung erfolgen soll.

Förderung

Erstellt im Rahmen des Projekte “Fokus“. Dieses Projekt wird durch die Aktion Mensch, die Freudenbergstiftung und die UNO-Flüchtlingshilfe gefördert.