Hauruck-Verfahren: »Geordnete-Rückkehr« im Bundestag, neun weitere Gesetzesentwürfe in Verhandlung

Zehn Gesetzgebungsentwürfe im Asyl- und Aufenthaltsrecht

Heute findet die erste Lesung zum “Geordnete-Rückkehr-Gesetz” im Bundestag statt. Im Juni soll der Entwurf zusammen mit weiteren Neuregelungen verabschiedet werden. Derzeit liegen zehn Gesetzgebungsentwürfe im Bereich des Asyl- und Aufenthaltsrechts vor, die parallel und in extrem kurzer Zeit verhandelt werden. Das FORUM MENSCHENRECHTE, in dem der BumF Mitglied ist, hat einen Überblick über die wesentlichen Regelungsinhalte, ihre Konsequenzen für die Betroffenen sowie die Wechselwirkungen der Entwürfe erstellt.

Die Vorschläge erschweren einer Vielzahl an Menschen Bleiberechte und bauen systematisch die Rechte geflüchteter Menschen ab: massive Leistungskürzungen, maßlose Inhaftierungen, lange Unterbringungsverpflichtungen sowie die Bedrohung der Zivilgesellschaft aufgrund von potentieller Kriminalisierung durch Bezichtigung der Beihilfe zum Geheimnisverrat sind nur einige drastische Beispiele.

– Forum Menschenrechte

Gesetz über Duldung für Ausbildung und Beschäftigung

Statt der angekündigten und notwendigen Verbesserung enthält der Entwurf neben einigen Verbesserungen auch erhebliche Verschlechterungen für die Integration schutzsuchender Menschen. Zu begrüßen ist, dass bei der Ausbildungsduldung ein Anspruch auf Beschäftigungserlaubnis eingeführt wird, Helferberufe einbezogen werden und eine Voraberteilung der Ausbildungsduldung vor Ausbildungsbeginn möglich wird. Die Ziele der Schaffung von Rechtssicherheit für Betriebe und Auszubildende, einer einheitlichen Anwendung der Ausbildungsduldung sowie der Gewinnung von Fachkräften werden jedoch nicht nur verpasst, sondern insbesondere durch die Neuregelungen bei der Identitätsklärung sogar behindert.

Das "Geordnete-Rückkehr-Gesetz"

Faktisch verringert das Gesetz vor allem bestehende Integrationsperspektiven und sieht eine vollständige Leistungsverweigerung für bestimmte Personengruppen vor. Zudem räumt es der Exekutive umfassende Befugnisse und weite Ermessensspielräume ein, die Kernelemente des Rechtsstaatsprinzips, im Hinblick auf die Bedingungen der Abschiebungshaft, infragezustellen. Die geplanten Gesetzesänderungen sind daher abzulehnen.

Aus Sicht des BUMF ist zudem besonders darauf hinzuweisen, dass der Gesetzentwurf keine Unterscheidung zwischen Minderjährigen und Erwachsenen trifft und die Verpflichtung zur vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls sich in dem Entwurf – selbst in der Begründung – an keiner Stelle wiederfindet.

Der Gesetzentwurf zum “Geordnete-Rückkehr-Gesetz” ist in vielfacher Hinsicht problematisch und beinhaltet u.a.

 

Die Einführung einer “Duldung-light” (§ 60b Abs. 5 AufenthG-E)

Es soll eine sog. „Duldung mit ungeklärter Identität“ eingeführt werden. Sie wird Ausländern ausgestellt, denen die Unmöglichkeit der Abschiebung “zugerechnet” wird. Menschen mit der neuen Duldung unterliegen pauschal einem Ausbildungs- und Arbeitsverbot und einer Wohnsitzauflage. Die Zeit in der “neuen Duldung” soll nicht als sogenannte Vorduldungszeit für Bleiberechtsregelungen berücksichtigt werden. Damit würdees für Jugendliche die mit 16 Jahren nach Deutschland einreisen in Zukunft oft unmöglich ein Bleiberecht nach §25a AufenthG zu erhalten – wie es bereits jetzt bei den 17jährig eingereisten der Fall ist.

Die Einführung einer „Duldung–light“ ist daher als Integrationshindernis abzulehnen. Grundsätzlich dürfen zudem Handlungen, die der/die Vormund/in aus Kindeswohlerwägungen unterlässt, nicht aufenthaltsrechtlich als zumutbar gelten und ihre Unterlassung darf den Vormündern/Minderjährigen nicht angelastet und etwa mit der “neuen Duldung” „bestraft“ werden.

 

Die Verweigerung von Leistungen für Familien die in einem anderen EU-Staat anerkannt sind (§ 1 Abs. 4 AsylbLG-E)

Der vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, dass Personen, die bereits in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt wurden und ausreisepflichtig sind, keine Leistungen nach dem AsylbLG mehr erhalten. Maximal für zwei Wochen soll es für Hilfebedürftige eine „Überbrückungsleistung“ geben – aber nur einmal innerhalb von zwei Jahren.

Die Gefahr für anerkannte Flüchtlinge, die aufgrund der menschenunwürdigen Zustände in Griechenland, Italien oder Bulgarien hier leben, im Zuge dieses Gesetzes auf der Straße zu landen, ist groß. Kinder- und Jugendliche, die mit ihren Familien einreisen sind hiervon ebenso betroffen wie ihre Eltern. Eine eingefügte Härtefallregelung wird dem wohl kaum grundsätzlich entgegenwirken. Diese verfassungswidrige Regelung muss ersatzlos gestrichen werden.

 

Die Ausweitung der Abschiebungshaft

Ein weiterer Kernbestandteil es Entwurfs ist die Ausweitung der Abschiebehaft. Sie soll unter anderem durch Umgehung verfassungs- und europarechtlicher Grundsätze bis 2022 zusammen mit Strafgefangenen erfolgen können (§ 62a AufenthG-E). Zudem sollen eine sogenannte Mitwirkungshaft eingeführt werden, mit der Menschen für 14 Tage in Haft genommen werden, die einer Anordnung für einen Termin an der Botschaft des vermutlichen Herkunftsstaates oder einer ärztlichen Untersuchung der Reisefähigkeit nicht nachgekommen sind (§ 62 Abs. 6 AufenthG-E) sowie die Fallgruppen in denen eine Abschiebungshaft erfolgen kann erheblich ausgeweitet werden (62 Abs. 3 AufenthG-E).

Das Gesetz räumt der Exekutive umfassende Befugnisse und weite Ermessensspielräume ein, die Kernelemente des Rechtsstaatsprinzips, im Hinblick auf die Bedingungen von Inhaftierungen sowie den betroffenen Fallgruppen, infragestellen. Zudem wird auch hier keine Unterscheidung zwischen Minderjährigen und Erwachsenen gemacht. Der Gesetzgeber verpasst es zudem erneut die Abschiebungshaft bei Minderjährigen gesetzlich auszuschließen. Die Neuregelungen müssen gestrichen werden.