Vormundschaftsreform: BumF fordert Nachbesserungen beim Kinderschutz bei Abschiebungen und eine Stärkung der Vereinsvormundschaften

Die Bundesregierung hat im Juni 2020 einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts den Verbänden zur Stellungnahme vorgelegt. Der BumF hat an einer Stellungnahme des Bundesforums Vormundschaft mitgearbeitet, um auf das Gesetzgebungsverfahren Einfluss zu nehmen. Der Entwurf soll am 23.09.2020 im Bundeskabinett vorgestellt werden. Die Reform soll im Frühjahr 2021 in Kraft treten.
Kurzbewertung

Der BumF begrüßt, dass insgesamt die Rechte von Kindern und Jugendlichen gegenüber der Vormundschaft gestärkt werden, kritisiert jedoch insbesondere die Ausnahme von der Genehmigungspflicht durch das Familiengericht bei Abschiebungen von unbegleiteten Minderjährigen und die Schwächung der Vereinsvormundschaft. Positiv ist, dass die Bestellung eine*r Pfleger*in bei ehrenamtlichen Vormundschaften vereinfacht wird um komplexe asyl- und aufenthaltsrechtliche Sachverhalte adressieren zu können.

Fehlende Genehmigungspflicht bei Abschiebungen

Kritisch im Entwurf ist, dass der Kinderschutz hinter ordnungspolitische Erwägungen bei Abschiebungen zurücktritt.

Wir begrüßen die Genehmigungspflicht durch das Familiengericht bei einem dauerhaften Wechsel des Mündels ins Ausland nach § 1795 Abs. 2 Nr. 3 BGB – E. Durch diese neue Regelung wird ein lückenloser Kinderschutz bei einem Wechsel des Mündels ins Ausland sichergestellt und klar formuliert: Kinderschutz endet nicht an der Landesgrenze.

Allerdings werden Abschiebungen von Minderjährigen von der Genehmigungspflicht des Familiengerichts ausgenommen. Die Ausnahme wird damit begründet, dass es sich bei einer Abschiebung um eine „behördlich angeordneten Wechsel“ handelt. Mit diesem Passus in der Begründung soll vermieden werden, dass es zu einer Konkurrenz verschiedenen Gerichtsbarkeiten kommt und so zu einer Blockade. Es wäre aber gerade notwendig, in Bezug auf Kinderschutz eine klare Zuständigkeit festzulegen, um so eine Gleichbehandlung aller Minderjährigen unabhängig von Aufenthaltsstatus oder Staatsangehörigkeit zu schaffen.

Gerade bei Abschiebungen gilt die besondere Pflicht zum Kinderschutz, bei der sich die Vormundschaft nicht auf die Entscheidungen anderer Institutionen verlassen darf. Eine Wiedereinreise ist aufgrund aufenthaltsrechtlicher Vorschriften im Regelfall ausgeschlossen, sodass weitreichende dauerhafte und grundlegende Entscheidungen für das Mündel getroffen werden.
So bedarf es bei einer behördlichen Entscheidung über eine Abschiebung der Überprüfung durch die rechtlich Vertretung, ob dem*der Minderjährigen im Herkunftsland Gefahr droht und daher ein Folgeantrag auf Schutz beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestellt werden sollte (Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.Juni 2013 – BVerwG 10 C 13.12, Rn. 20).

Damit gilt gerade einer erzwungenen Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts ins Ausland die besondere Verpflichtung der Vormundschaft, die eine familiengerichtliche Genehmigung zwingend erforderlich macht. Stattdessen wird sich den ordnungsrechtlichen Vorgaben gebeugt.

Der BumF fordert die Ausnahme von der Genehmigungspflicht des Familiengerichts bei Abschiebungen von Minderjährigen zu streichen, um den Kinderschutz auch bei geflüchteten Minderjährigen sicherzustellen.

Vereinsvormundschaften stärken!

Nach § 1774 Abs. 1 Nr. 3 BGB-E soll zukünftig ein Verein nicht zum Vormund bestellt werden können, sondern ausschließlich der/die einzelne Mitarbeiter*in. Diese Regelung schwächt die Vereine und läuft dem erklärten Ziel, neben der Amtsvormundschaft andere Formen der Vormundschaft zu stärken, zuwider. Anders wiederum im Betreuungsrecht, wo in § 1818 BGB-E die Bestellung eines Betreuungsvereins sinnvollerweise vorgesehen ist. Im Vormundschaftsrecht wird dagegen an der persönlichen Bestellung des oder der Vereinsvormund*in festgehalten, obwohl die ursprünglich ebenso angedachte persönliche Bestellung des oder der Amtsvormund*in schon längst aufgegeben wurde, da die Jugendämter organisatorische Schwierigkeiten anmeldeten. Aus Sicht des Bundesforums muss sich jedoch ein Eingriff in die Organisationshoheit eines Vereins ebenso wie ein Eingriff in die Kommunalhoheit verbieten. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum ausgerechnet im Bereich der Vormundschaften –einem rein zivilrechtlichen Institut –das Subsidiaritätsprinzip mit Ausnahme gegenüber dem Ehrenamt in Gänze aufgegeben werden soll. Amtsvormundschaften, so notwendig sie als Garant dafür sind, dass der Staat als Vormund*in einspringt, wenn niemand anders zur Verfügung steht, bringen das Problem mit sich, dass ein*e Mitarbeiter*in der Behörde als Vormund*in dem oder der eigenen Arbeitgeber*in als Antragsteller*in und Widerspruchsberechtigte*r gegenübersteht und so Interessenkollisionen entstehen können.

Die Vormundschaftsvereine leisten seit vielen Jahren hervorragende Arbeit und können ohne die Gefahr von Interessenkollisionen an der Seite der Kinder und Jugendlichen stehen. Der BumF fordert daher eine Stärkung statt Schwächung der Vereinsvormundschaften und die Möglichkeit auch weiterhin Vereine zum Vormund bestellen zu können.

Pfleger*in für das Asyl- und Aufenthaltsrecht

§ 1776 BGB-E ermöglicht, dass ein*e zusätzliche Pfleger*in für bestimmte Angelegenheiten bestellt wird, wenn ein*e ehrenamtliche*r Vormund*in diese nicht allein bewältigen kann. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund komplexer asyl- und aufenthaltsrechtlicher Sachverhalte bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und der hohen Dynamik durch Gesetzesänderungen im Fluchtbereich zu begrüßen.