Buchbesprechung: Huesmann “Ethische Aspekte der medizinischen Altersschätzung bei unbegleiteten Minderjährigen”

Trotz eindeutiger Bedenken gegen die medizinische Alterseinschätzung wird diese in der Praxis regelmäßig durchgeführt und die Zahl ihrer Anwendungen ist in den letzten Jahren laut der Online-Umfrage des Bundesfachverbands unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sogar noch kontinuierlich angestiegen. Die humanmedizinische Dissertation von Huesmann analysiert zum ersten Mal umfassend die verschiedenen von der Arbeitsgemeinschaft für forensische Altersdiagnostik (AGFAD) empfohlenen Methoden zur medizinischen Alterseinschätzung. Livia Giuliani, Referentin beim BumF, hat diese im Asylmagazin (Ausgabe 1–2 / 2023) rezensiert.

Ergebnis der Arbeit ist, dass die Untersuchungsmethoden nicht verlässlich sind und dazu noch Schäden hervorrufen können. Diese wichtige Arbeit ist hoffentlich Anstoß dafür, dass diese Verfahren nicht mehr angewandt werden und die Debatte darüber laut wird.  

Denn trotz  der eindeutigen Bedenken gegen die medizinischen Alterseinschätzungen, steigen die Zahlen der Anwendung und in Bayern beispielsweise forderte der Innenminister Joachim Herrmann „eine strikte Regelung für eine medizinische Altersüberprüfung von allen ankommenden Flüchtlingen, die nicht klar als Kinder zu erkennen sind“. 

 In der Praxis wird zu selten gegen die Alterseinschätzung geklagt. Gründe hierfür sind: 

  • Die Untersuchungen sehr technisch sind.
  • DieRechtschutzmöglichkeiten für die jungen Geflüchteten sind begrenzt.
  • DieDoppelrolle des Jugendamtes, das auf der einen Seite die medizinische Alterseinschätzung veranlasst und gleichzeitig den jungen Menschen vertreten soll.
  • Die Klage-/ Widerspruchsfrist ist nur einen Monat lang.
  • Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung.
  • Den Betroffenen fehlen Informationen.

Bei Klageverfahren können Sie Unterstützung durch unseren Rechtshilfefond anfragen. 

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