Am 7.5.2022 hat der Bundesrat dem neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) zugestimmt. Es ist die bislang größte Reform des 1990 in Kraft getretenen Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG). Der BumF hat das Verfahren durch Lobbying, Expertise und Kampagnen eng begleitet und Vorschläge zur Einschränkung der Jugendhilfe bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge scharf kritisiert. Das schlussendlich entschiedene Gesetz macht keine Einschränkungen für umF.
Hintergrund
In folgenden Bereichen wurden in der Reform Veränderungen vorgenommen:

1. Besserer Kinder- und Jugendschutz für Kinder in Einrichtungen der Erziehungshilfe und in Pflegefamilien durch:

  • Engmaschigere Kontrollmöglichkeiten der Einrichtungsaufsicht und erweiterte Anforderungen an Betriebserlaubnisverfahren,
  • Stärkere gesetzliche Verankerung von der Zusammenarbeit zwischen Jugendamt und anderen Beteiligten im Kinderschutz.

2. Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die in Pflegefamilien oder Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung aufwachsen durch

  • Zwingende Erfordernis von Kinderschutzkonzepten in Pflegefamilien,
  • Die Möglichkeit einer Dauerverbleibensanordnung in Pflegeverhältnissen,
  • Für Care Leaver: die Gewährung der Hilfe für junge Volljährige (§41 SGBVIII) wird bis zum 21. Lebensjahr vom Gesetzgeber ausdrücklich bekräftigt, außerdem gibt es neu eine Rückkehroption in Hilfen. Die Kostenheranziehung wird auf 25% des Einkommens gesenkt
    Übergänge werden besser begleitet: Werden gegebenenfalls andere Sozialleistungsträger nach Beendigung der Hilfe zuständig, werden konkrete Regelungen zur Zusammenarbeit mit diesen beim Zuständigkeitsübergang getroffen, um ein bedarfsgerechtes, nahtloses Anknüpfen an den Hilfeprozess in der Kinder- und Jugendhilfe sicherzustellen.

 

3. Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung

  • Der Bundesrat hat beschlossen, dass es einen Stufenplan zur Inklusivität des KJSG geben soll, die praktische Ausgestaltung hängt jedoch an der Schaffung eines entsprechenden Bundesgesetzes und damit an der Arbeit der Bundesregierung. Wie genau der Transfer aus dem SGBIX in das SGB VIII aussehen soll, ist noch unklar.
  • Bislang wird die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung über das SGB IX geregelt sie werden damit in erster Linie als „behindert“ gesehen und erst in zweiter Linie als Kinder. Das soll mit dem neuen SGBVIII schrittweise geändert werden.

4. Prävention vor Ort wird gestärkt, durch

  • die Möglichkeit der direkten Inanspruchnahme ambulanter Hilfen für Familien in Notsituationen und den Einsatz von ehrenamtlichen Helfer*innen und Patient*innen,
  • mehr Sozialraumorientierung.

5. Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien durch

  • die Möglichkeit der Beratung ohne das Wissen von Personensorgeberechtigte (§8Abs.3),
  • verpflichtend einzurichtenden Ombudsstellen,
  • Förderung von Möglichkeiten der Selbstvertretung.

Leider wurde in der Reform verpasst, Verbesserungen auch für die in der Kinder- und Jugendhilfe Beschäftigten voranzubringen, etwa eine Fallzahlenbegrenzung in den Jugendämtern oder verbindliche Personalschlüssel für Kitas und Heime.

Förderung

Gefördert im Rahmen des Projektes „Gut ankommen – Fachkräfte qualifizieren“. Dieses Projekt wird aus Mittel aus dem Asyl-, Migrations- und Flüchtlingsfonds kofinanziert.

 

Stand: März 2022

Material

Der BumF hat zum Entwurf des zweiten Datenaustauschverbesserungsgesetz kritisch Stellung genommen: Die angedachten Vorgaben widersprechen grundlegenden Prinzipien des Minderjährigenschutzes, es fehlen die Sicherstellung des Primats der Kinder- und Jugendhilfe für alleine flüchtende Minderjährige sowie die Gewährleistung einer fachkundigen und sorgetragenden Vertretung von Anfang an.

(November 2018)

Am Montag den 19.06.2017 fand eine öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung von Kinder und Jugendlichen (KJSG) statt. Der Bundesfachverband war als Sachverständiger geladen und sieht das Gesetzgebungsverfahren kritisch. Wenn das Gesetz noch in der laufenden Legislaturperiode verabschiedet werden soll, so muss dies im Bundestag bis zum 30.06.2017 geschehen.

(Juni 2017)

Im Kontext der SGB VIII Reform (das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz) warnen elf Jugendhilfeverbänden und Kinderrechtsorganisationen in einem gemeinsamen Appell vor der Einführung einer Zwei-Klassen-Jugendhilfe für geflüchtete junge. Besorgniserregend sind insbesondere Vorschläge zur Einschränkung des Rechtsanspruchs auf Hilfe für junge Volljährige, sowie eine geplante Länderöffnungsklausel: Leistungen an unbegleitete minderjährige Flüchtlingen würden dann nicht mehr nach Bedarf, sondern nach Kasse gewährt und Sondereinrichtungen würden zur Regel.

(Juni 2017)

Das BMFSFJ arbeitet derzeit an einer Reform des Kinder- und Jugendhilferechts. Den vorläufigen Arbeitsentwürfen ist zu entnehmen, dass u.a. eine neue Hilfeform mit geringerer pädagogischer Betreuungsintensität sowie der Vorrang von Infrastrukturangeboten vor individualisierten Einzelfallhilfen vorgesehen sind. Darüber hinaus ist zu befürchten, dass die Hilfe für junge Volljährige für Geflüchtete in der Praxis eine erhebliche Einschränkung erfährt. In der Praxis droht hieraus ein System von Einbahn- und Umleitungsstraßen zu entstehen, das geflüchteten Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen den Weg zu individuellen und bedarfsgerechten Leistungen erheblich erschwert sowie von bestimmten Leistungen faktisch ausschließt. Der Bundesfachverband hat die geplanten Änderungen in einem Positionspapier analysiert und relevante Materialien auf einer Themenseite zusammengefasst.

(September 2016)

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