Beschluss zur Aufnahme von geflüchteten Minderjährigen aus Griechenland nur eine Mogelpackung?

Sonntagnacht hat die Koalition beschlossen im Rahmen einer europäischen „Koalition der Willigen“ einen „angemessenen Anteil“ geflüchteter Minderjährige aus Griechenland aufzunehmen.

„Eine Aufnahme von europaweit 1.000 bis 1.500 Personen, ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. Ca. 40.000 Geflüchteten leben unter völlig menschenrechtswidrigen Bedingungen auf den griechischen Inseln. Allein 5.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge müssen umgehend in Sicherheit gebracht werden. Dazu kommen viele weitere vulnerable Gruppen – Familien, Alte, alleinstehende Frauen, Kranke und Traumatisierte – die in akuter Gefahr sind“, erklärt Vinzent Vogt, Juristischer Koordinator bei Equal Rights Beyond Borders.

Nur schwer kranke Kinder und unbegleitete Minderjährige unter 14 Jahren – die meisten davon Mädchen – sollen aufgenommen werden.

„Weniger als 400 unbegleitete minderjährige Geflüchtete in Griechenland sind unter 14 Jahren. Nur ein Bruchteil der dringend Schutzbedürftigen würde von einem solchen Programm profitieren“, erklärt T. Vicky Germain Referentin des Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. „Die Kinderrechte gelten für alle Menschen unter 18 Jahren. Für Mädchen und Jungen. Sie brauchen keine Pseudo-Beschlüsse sondern umgehend Hilfe“.

Bewertung der Aufnahmekriterien: Zahlen & Fakten

Der Wortlaut des Beschlusses bleibt in vielerlei Hinsicht unklar. Nach Erkenntnissen aus politischen Kreisen soll nicht etwa Deutschland 1000 bis 1500 Personen aufnehmen, sondern eine „Koalition der Willigen“, die es bisher jedoch noch nicht gibt.

  1. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (umF) unter 14 Jahren – vor allem Mädchen – sollen aufgenommen werden.

Nach letzten vorliegenden Zahlen der griechischen Regierung sind nur 7,5 % der 4962 Minderjährigen die ohne Eltern in Griechenland leben unter 14 Jahren. Weniger als 400 unbegleitete Kinder, die insgesamt auf alle aufnahmebereiten EU-Staaten verteilt werden würden. Hiervon hat schätzungsweise die Hälfte einen Anspruch auf Familienzusammenführung mit Angehörigen in verschiedenen EU-Staaten nach der Dublin III-Verordnung. Weniger als 200 unbegleitete Minderjährige bleiben also für den geplanten Umverteilungsmechanismus. Der Mädchen-Anteil liegt zudem nur bei 6,6 %. Wird auch dieses Kriterium angewendet bleiben statistisch gesehen 12 Mädchen unter 14 Jahren übrig. Hinzukommt, dass viele Minderjährige bei ihrer Ankunft in Griechenland ältergemacht werden und ihr Alter nicht nachweisen können und hierdurch ausgeschlossen würden.

  1. Kinder mit einer schweren Erkrankung sollen ebenfalls aufgenommen werden

Offenbar sind hier Kinder gemeint die mit ihren Eltern aufgenommen werden würden. Hier muss sichergestellt werden, dass die gesamte Familie aufgenommen wird – inklusive volljähriger Geschwister, Großeltern und Adoptivkindern – und es nicht zu Familientrennungen kommt. Der Nachweis einer schweren Erkrankung ist derzeit zudem kaum möglich, da schriftliche Diagnostiken meist nicht vorliegen, da auf den Inseln medizinisches Personal fehlt, welches diese erstellen könnte. Auch diese Regelung droht daher ins Leere zu laufen.

  1. Es besteht in einem Teil der Fälle ohnehin eine Aufnahmepflicht

Deutschland ist nach der Dublin III-verordnung ohnehin zur Aufnahme von hunderten Asylsuchenden aus Griechenland verpflichtet ist, die Familienangehörige in Deutschland haben. Dieser Verpflichtung wird sich jedoch seit Jahren durch eine rechtswidrige Verwaltungspraxis in zahlreichen Fällen entzogen.