Wir beobachten, dass in einzelnen Kommunen vermehrt unbegleitete Minderjährige Ziel von Abschiebungen bzw. Abschiebungsvorbereitungen werden bzw. zur Erklärung der freiwilligen Rückkehr gedrängt werden. Betroffen davon sind in den uns bekannten Fällen Jugendliche aus sogenannten “sicheren Herkunftsländern” (u.a. Albanien, Serbien, Kosovo). Die geltende Rechtslage und Rechtsprechung sowie insbesondere der Vorrang des Kindeswohls werden dabei wird seitens der Ausländerbehörden oft nicht ausreichend beachtet, wie etwa in einem aktuellen Fall aus Thüringen.
Da insbesondere Jugendämter und Vormund*innen über besondere Rechte, Pflichten und Verantwortung verfügen, haben wir die wichtigsten (rechtlichen) Informationen zu der Thematik gebündelt. Wir hoffen, dass wir insbesondere in der Jugendhilfe und Vormundschaft damit zu mehr Handlungs- und Rechtssicherheit beitragen können.
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hat einen Musterschreiben erstellt, das von Jugendämtern und/oder Vormund*innen genutzt werden kann in Fällen, in denen Ausländerbehörden unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen mit einer Abschiebung drohen oder diese zur freiwilligen Ausreise unter Androhung der Abschiebung gedrängt werden. Die Vorlage greift die geltende Rechtslage sowie relevante Rechtsprechungen auf.
Bei drohenden Abschiebungen sind zudem folgende Materialien des Bundesfachverbandes umF, des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht sowie der Zeitschrift DAS JUGENDAMT hilfreich.
Unbegleitete Minderjährige sind in der Regel vor einer Abschiebung geschützt. Wenn (noch) kein Asylantrag gestellt wird, haben UM Anspruch auf die Ausstellung einer Duldung (Aussetzung der Abschiebung). Vor einer Abschiebung muss sich die Ausländerbehörde vergewissern, dass der/die Minderjährige im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird. Solange sich die Ausländerbehörde nicht von der konkreten Möglichkeit der Übergabe des minderjährigen Ausländers an eine in der Vorschrift genannte Person oder Einrichtung vergewissert hat, darf keine Abschiebung erfolgen. (§58 Abs. 1a AufenthG).
Vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hat sich die Behörde zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird.
– §58 Abs. 1a AufenthG
Dies bedeutet, dass sich die Ausländerbehörde in jedem Einzelfall nachweisbar überzeugen muss, ob die Übergabe des unbegleiteten Minderjährigen an eine in der Vorschrift genannte Person oder Einrichtung tatsächlich auch erfolgen wird. Dabei muss der Nachweis von der Ausländerbehörde erbracht werden. Sie kann die Prüfung nicht auf den Vormund des/der unbegleiteten Minderjährigen übertragen. Dies wurde vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 13. Juni 2013 auf Grundlage der EU Rückführungsrichtlinie klargestellt.