Für den neuen Namen „Bundesfachverband Minderjährigkeit und Flucht“ sprach erstens aus sprachkritischer Perspektive, dass auf den Begriff „Flüchtling“ verzichtet wird. Die Kritik an dem Begriff „Flüchtling“ fasst etwa der Sächsische Flüchtlingsrat wie folgt zusammen: „(…) Hinter der Versachlichung, die durch das Suffix ‚-ling‘ entsteht, verschwinden persönliche Hintergründe von Personen, Bildungs- und Berufsgeschichten, persönliche Interessen und politische Meinungen.“
Die Verwendung des Ableitungssuffix „-ing“ führt also zu einer Versachlichung und Reduktion des Individuums. In dieser Versachlichung ist der Begriff „Flüchtling“ zudem nicht gendergerecht verwendbar – es bleibt immer „der“ Flüchtling, verschiedene Genderidentitäten werden unsichtbar. Zudem impliziert der Begriff des Flüchtlings eine Nicht-Zugehörigkeit und Andersartigkeit – wann ist denn jemand kein Flüchtling mehr?
Als Rechtsbegriff bleibt „unbegleiteter minderjähriger Flüchtling“ in einigen Zusammenhängen unumgänglich, im Verbandsnamen ist die Verwendung jedoch fragwürdig geworden.
Zweitens drohte der ursprüngliche Name nicht nur Menschen auf eine Eigenschaft zu reduzieren, er legte zudem nahe, bei dem Verband würde es sich um einen legitimen Repräsentanten der Interessen von unbegleiteten Minderjährigen handeln. Unser Verband ist aber weder mit einem Mandat durch diese Menschen ausgestattet (was ja auch schlichtweg unmöglich wäre), noch sind junge Menschen bisher angemessen in die Entscheidungsstrukturen unseres Verbandes eingebunden.
Drittens implizierte der alte Name fälschlicherweise, unser Verband würde ausschließlich zur Situation und für die Rechte von unbegleiteten Minderjährigen arbeiten. Tatsächlich sind aber spätestens seit 2014 auch
begleitete minderjährige geflüchtete Kinder und Jugendliche sowie junge Volljährige mit in den Fokus unserer
Arbeit gerückt – wenn auch der Kampf um die Rechte unbegleiteter Minderjähriger zentral für den Verband bleibt.
Mit dem neuen Namen „Bundesfachverband Minderjährigkeit und Flucht“ richtet sich der Blick vor diesem Hintergrund nicht mehr auf eine wie auch immer definierte Zielgruppe, sondern auf einen komplexen sozialen und rechtlichen Kontext, in dem sich unser Verband seit seiner Gründung bewegt und für den er sich verantwortlich sieht. Als Verband sehen wie es als unsere Aufgabe, die spezifische soziale und rechtliche Situation von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden, die geflüchtet und minderjährig sind bzw. als Heranwachsende kurz nach der Schwelle zwischen Minderjährigkeit und Volljährigkeit stehen, zu verbessern und ihre Rechte zu stärken. Wir erklären uns damit nicht zum Repräsentanten einer Zielgruppe, sondern betrachten uns als Kinderrechtsorganisation mit einem spezifischen Fokus: Minderjährigkeit und Flucht.