Die verheerende Situation an der polnisch-belarussischen Grenze verschärft sich derzeit zunehmend. Seitdem der belarussische Machthaber Lukaschenko Ende Mai ankündigte, flüchtende Menschen nicht mehr am Grenzübertritt nach Polen zu hindern, versuchen vermehrt Schutzsuchende über diese Grenze in die EU zu gelangen. Doch sie drohen hier Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen zu werden. Das polnische Grenzpersonal führt Pushbacks von Geflüchteten durch, darunter auch von Kindern. Viele geflüchtete Menschen harren in dem Grenzgebiet in einer unerträglichen Situation aus, werden durch den polnischen Grenzschutz am Weiterkommen gehindert, während gleichzeitig die Möglichkeit zur Rückkehr versperrt ist. Der sogenannte Schutz von Grenzen hat hier offenbar Priorität vor dem Schutz von Menschenleben. Sieben Todesopfer hat die rigide Abschottungspraxis in den letzten Wochen bereits gefordert, darunter ein erst 16jähriger Junge. Genaues Ausmaß und Umstände der katastrophalen Situation bleiben teilweise unklar, da sich durch den von Polen verhängten Ausnahmezustand auch keine Menschenrechts- oder Hilfsorganisationen und keine Journalist*innen im Gebiet bewegen dürfen. Unterdessen verschärft Polen das Grenzregime weiter.
Auch das Beratungsangebot des Bundesfachverbands unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) e.V. erreichen bereits Schicksale von Kindern und Jugendlichen, die in der Grenzregion ausharren müssen. Minderjährige sind eine besonders vulnerable Gruppe, sie brauchen schnellstmöglich Schutz und bedarfsgerechte Hilfe! Stattdessen werden sie in eine Situation gezwungen, die menschenrechtlich und humanitär untragbar ist – und sich zuzuspitzen droht. Denn mit sinkenden Temperaturen steigt die Gefahr, dass noch mehr Menschen an Erschöpfung und Unterkühlung sterben könnten.
Der BumF fordert:
1. Der Ausnahmezustand muss umgehend aufgehoben werden. Geflüchtete müssen endlich Zugang zu medizinischer Versorgung, humanitärer Hilfe und Rechtsberatung erhalten. Dabei müssen die besonderen Bedarfe von Minderjährigen unbedingt beachtet werden. Ebenso müssen unabhängige Menschenrechtsbeobachter*innen und Journalist*innen wieder uneingeschränkten Zugang zum Grenzgebiet erhalten.
2. Das Ende aller Pushbacks – an polnisch-belarussischen Grenze und allen anderen EU-Außengrenzen – und die Durchführung fairer Asylverfahren!
3. Die EU muss eine Aufklärung der erfolgten Menschenrechtsverletzungen und der Todesumstände der Menschen anstoßen sowie entsprechende Konsequenzen ziehen, z.B. in Form eines Vertragsverletzungsverfahrens. Deutschland trägt die Verantwortung, dies mit zu forcieren und auch im bilateralen Austausch auf die polnische Regierung einzuwirken, anstatt den Abschottungsdiskurs noch durch Ideen von Schleierfahndung oder Grenzkontrollen voranzutreiben.
Menschenrechtsverletzungen in dem Grenzgebiet werden u.a. von Amensty International dokumentiert. Zum Artikel „Polen/Belarus: Afghanische Asylsuchende an der Grenze rechtswidrig zurückgedrängt“.
Bei dem Grenzgebiet zur Unterstützung von Geflüchteten aktiv ist z.B. die polnische Organisation Fundacja Ocalenie. Zur Website.
Stowarzyszenie Interwencji Prawnej ist eine weitere Organisation zur Unterstützung Geflüchteter in Polen. Zur Website.