Wir nehmen den heutigen Internationalen Tag gegen Menschenhandel zum Anlass, um abermals auf die Situation von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten und von geflüchteten Mädchen und jungen Frauen aufmerksam zu machen, die von Menschenhandel und Ausbeutung betroffen oder bedroht sind.
Die Ergebnisse der aktuellen BumF-Online-Umfrage unter Fachkräften zur Situation junger Geflüchteter in Deutschland zeigen, dass Menschenhandel ein eklatantes Problem bleibt. Immer wieder sind junge Geflüchtete von dieser schweren Menschenrechtsverletzung betroffen – sowohl im Heimatland als auch während der Flucht sowie nach der Ankunft in Deutschland. Nach Einschätzung der Befragten, die mit jungen Geflüchteten arbeiten, die von Gewalterfahrungen berichten, haben etwa drei Viertel dieser Personen Erfahrungen von Menschenhandel und Ausbeutung während der Flucht gemacht.
Wir betonen in diesem Zusammenhang:
Die Illegalisierung von Flucht und die rigide Abschottungspolitik der EU – die künftig durch die Folgen der GEAS-Reform weiter verschärft wird – führen zu massiv unsicheren Fluchtrouten. Dadurch steigt für junge flüchtende Personen auch die Gefahr, Opfer von Menschenhandel und Ausbeutung zu werden!
Jede siebte befragte Fachkraft berichtet außerdem (auch) von Menschenhandel und Ausbeutung junger Geflüchteter in Deutschland (14%). Alarmierend sind auch die Antworten der Fachkräfte zur Situation von geflüchteten Mädchen und jungen Frauen. Hier zeigt sich in Hinblick auf die Antworten der Fachkräfte, die mit Mädchen und jungen Frauen arbeiten: fast ein Viertel von ihnen registrierte, dass die Personen, die von Gewalt betroffen waren/sind, diese in Form von Menschenhandel und Ausbeutung in Deutschland erleben.
Geflüchtete junge Menschen werden nicht ausreichend vor Menschenhandel und Ausbeutung geschützt, Betroffenheit wird oftmals nicht erkannt, die Rechte, die Personen im Fall von Menschenhandel und Ausbeutung zustehen, nicht konsequent beachtet und umgesetzt.
Unbegleitete minderjährige Geflüchtete treffen derzeit auf ein überlastetes Jugendhilfesystem, teilweise werden ihnen katastrophale Unterbringungs- und Betreuungssituationen und die Absenkung von Standards der Jugendhilfe zugemutet. Diese Situation birgt das Risiko von Schutzlücken. Problematisch sind z.B. die langen Verweildauern in vorläufigen Inobhutnahmen, unzureichende Betreuungsstrukturen sowie fehlende Überprüfungen von Begleitpersonen. Der Aufbau von Vertrauen zu stabilen Bezugspersonen ist enorm wichtig, um sich öffnen und Probleme besprechen zu können, wird aber in der derzeitigen Situation erheblich erschwert.
Betroffene Menschen, darunter unbegleitete minderjährige Personen, geflüchtete Mädchen und junge FLINTA*-Personen, brauchen statt leerer Versprechen endlich den Schutz und die Unterstützung, die ihnen zustehen! In diesem Zusammenhang verweisen wir auf die Forderungen aus dem gemeinsamen Zwischenruf des Netzwerks geflüchtete Mädchen und junge Frauen (Juli 2023, mit Ban Ying e.V. u.a.), dessen Forderungen weiterhin aktuell bleiben, sowie auf die Stellungnahme des BumF zur inhaltlichen Ausgestaltung des nationalen Aktionsplans der Bundesregierung zur Bekämpfung des Menschenhandels (Oktober 2023).
Menschenhandel ist eine schwere Menschenrechtsverletzung. Um ihn zu bekämpfen und dabei den Schutz und die Rechte Betroffener sicherzustellen, müssen verschiedene Schritte konsequente Umsetzung finden. Dazu gehört unter anderem:
- Es braucht ein sicheres Aufenthaltsrecht für Betroffene, unabhängig von der Aussagebereitschaft gegenüber der Polizei!
- Konsequente Umsetzung des zentralen Opferrechts einer Bedenkfrist und Stabilisierungsfrist.
- Entschiedenes Vorgehen gegen Täter*innen – ohne dabei die Rechte und den Schutz der Betroffenen zu gefährden.
- Mehrsprachige Informationsangebote – genderspezifisch, biographiesensibel und für junge Menschen auch kindgerecht. Ausbau niedrigschwelliger Fachberatungsstellen und schnelle, unbürokratische Hilfe.
- Gemäß der Europaratskonvention gegen Menschenhandel müssen für alle Betroffenen von Menschenhandel angemessene und sichere Unterkünfte gewährleistet werden. Die aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte „Ein bisschen sicherer als auf der Straße – Unterkünfte für Betroffene von Arbeitsausbeutung in Deutschland“ bekräftigt: Der Bedarf an Unterkünften kann nicht gedeckt werden, und die (menschen-)rechtlichen Ansprüche der Betroffenen sind vielfach nicht erfüllt. Die Bundesregierung muss diesen Defiziten entschieden entgegenwirken.
Zur Situation von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten:
- Da die Betroffenheit von unbegleiteten Minderjährigen oft nicht erkannt wird: Schulungen zur Sensibilisierung für Mitarbeitende aus Jugendhilfeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften und Jugendämtern, um Gefährdungsanzeichen frühzeitig zu erkennen und schnell zu handeln.
- Schutzlücken in der Unterbringung entgegenwirken und Betreuungsstandards sicherstellen!