Soziale Arbeit und Solidarität in Zeiten von Social Distancing

Welche Auswirkungen haben die aktuellen Entwicklungen im Kontext der Corona Pandemie auf Bereiche der Gesellschaft, die ohnehin von Ausgrenzung und Diskriminierung betroffen sind? Was bedeutet dies für die alltägliche Soziale Arbeit? Wie lässt sich Solidarität im Rahmen der zweifelsohne notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus umsetzen?
Diskriminierungserfahrungen und Zugangsbarrieren im Kontext von Corona

Adis e.V. (Antidiskriminierung · Empowerment · Praxisentwicklung) hat in einem Fachbeitrag Beobachtungen und Gedanken zusammengetragen, um trotz oder gerade während der aktuellen Ausnahmesituation einen aufmerksamen Blick auf gesellschaftliche Ausgrenzungssituationen nicht zu vernachlässigen.

Sie beschreiben, wie Diskriminierungserfahrungen im Kontext von Corona zunehmen und wie Zugangsbarrieren zu digitalen sozialen Räumen ebenso wie Freiheitsbeschränkungen des öffentlichen Raumes gerade da, wo Zuhause nicht bedeutet, über einen schönen und sicheren Ort zu verfügen, eine massive  – und zum Teil gesundheitsgefährdende – Verschlechterung der Situation bedeutet. Sie schildern, wie die Aufmerksamkeit hinsichtlich gesundheitlicher Vorbelastungen bei denjenigen belassen wird, die Schutz einfordern müssen.

Auswirkungen auf junge Geflüchtete

Auch wir erfahren in allen Kontexten unserer Arbeit, welche massiven Auswirkungen die zweifelsohne notwenigen Maßnahmen zur Eindämmung der Virusverbreitung auf den Alltag und die Resilienz junger Geflüchteter haben: Soziale Distanz im Betreuungssetting, die Streichung von Sport- und Freizeitangeboten bei gleichzeitigem Schulausfall, die Sorge um die Situation von Verwandten im Ausland, gesundheitsgefährdende Lebensbedingungen von Freunden und Verwandten in Gemeinschaftsunterkünften oder gar in Lagern an den europäischen Außengrenzen – all dies belastet die Jugendlichen in Jugendhilfeeinrichtungen während dieser Zeit immens.

Kinder und Jugendliche mit ihren Familien, die in Großunterkünften leben, sind den Auswirkungen der Begrenzungen des Kontakts und den Einschränkungen der Nutzungsmöglichkeiten des öffentlichen Raums noch viel stärker ausgesetzt. Voraussetzungen, den Schulausfall von zuhause zu kompensieren sind hier ungleich schwieriger. Benachteiligungen im Bildungssystem werden hier potentiell reproduziert. Soziale Isolation und Freiheitsentzug können je nach biographischen Vorerfahrungen Trigger sein.

Zugleich sind psychosoziale und pädagogische Unterstützungsangebote selbst mit der Bewältigung der Situation befasst und angewiesen, den Kontakt auf das notwendige Minimum zu beschränken und methodisch zu verändern, auf digitale Optionen umzustellen. Von Seiten traumatherapeutischer Angebote erfahren wir, dass die Maßgabe, nur in Notfällen Therapien anzubieten bzw. fortzusetzen schwierig umzusetzen ist, haben doch viele, nahezu alle, in der aktuellen Situation deutlich erhöhten Bedarf.

Wie lässt sich Solidarität umsetzen?

Es ist unsere Aufgabe, gesellschaftliche Ausgrenzungen und die Ränder der Versorgungsstruktur zu identifizieren und zu benennen. Es lässt sich nicht aufhalten, dass diese sich im Zuge der sich derzeit überschlagenden Ereignisse verändern, verschärfen. Umso wichtiger ist es bereits jetzt die gebotene Solidarität auch auf jene gesellschaftlichen ‚Gruppen‘ und Bereiche zu richten, die von der aktuellen Krise in besonderer Weise betroffen sind und Solidarität nicht nur während dieser Krisenzeit sondern auch und gerade für die Zeit danach einzufordern.

Die Kolleg*innen von Adis e.V. haben wichtige Gedanken zu Ausschlüssen und Diskriminierungen in Zeiten von Corona verschriftlicht und geben Denkanstöße, wie wir diese reflektieren können, um in unserer jeweiligen Arbeit dagegen vorgehen zu können. Auf einer Übersichtsseite haben wir zudem mehrsprachige Informationen zum Corona-Virus sowie Praxishilfen für Fachkräfte und Träger der Jugendhilfe zusammengestellt.