Gemeinsame Pressemitteilung vom 20. September 2021 vom Flüchtlingsrat Berlin, dem Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Geflüchtete und Migrant*innen BBZ, Jugendliche ohne Grenzen und dem Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge BumF zum Pilotprojekt des Landeamtes für Flüchtlingsangelegenheiten zur „bedarfsorientierten Unterbringung von ehemals unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (EUMF)“
Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten stellt heute – am Weltkindertag – ein Pilotprojekt für die Unterbringung junger Geflüchteter vor. Dieses Projekt für die ehemals unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge betrifft deren Übergang aus der Jugendhilfe in die Zuständigkeit des LAF. Das Pilotprojekt wurde in Kooperation mit dem Bezirksamt Pankow entwickelt. Es wird außerdem eine Kooperation mit dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg angestrebt.
Das Pilotprojekt sieht vor, dass junge Geflüchtete mit Vollendung des 18. Lebensjahres die stationäre Jugendhilfe verlassen und in eine vom LAF finanzierte Wohnform innerhalb einer Gemeinschaftsunterkunft überführt werden, dort aber noch ambulant durch einen freien Träger der Jugendhilfe betreut werden (In Anwendung von § 41 i.V.m. § 30 SGB VIII).
Danach soll für diese Jugendlichen also nicht mehr die notwendige und bedarfsorientierte Unterstützung der stationären Jugendhilfe gelten, sondern – offenbar um Kosten zu sparen – eine „Jugendhilfe Light“ für junge Volljährige in LAF-Sammelunterkünften installiert werden, die keinerlei Jugendhilfe-Standards einhält.
Sie werden damit all den von uns schon seit Jahren kritisierten Einschränkungen und Problemen ausgesetzt, wie fehlender Privatsphäre, keinen Mietverträgen und Mieter:innenrechten, eingeschränkten Besuchs-, und Postausgabezeiten, oder Übernachtungsverboten. Die jungen Menschen werden gemeinsam in einem extra Trakt der Unterkunft in 2-3 Bettzimmern untergebracht, in dem sie wie die anderen Bewohner:innen von Sammelunterkünften dem ernüchternden Alltag des Lagerlebens ausgesetzt sind.
„Die ambulante Jugendhilfe kann unter diesen Umständen gar nicht funktionieren und damit auch nicht geeignet im Sinne von § 41 Abs. 1 SGB VIII sein, da es nicht möglich ist, unter diesen Lebensbedingungen ein eigenverantwortliches und selbständiges Lebenzu führen und zu gestalten, was die eigentlichen Ziele der Hilfe ist“, sagt Nora Brezger vom Flüchtlingsrat Berlin, „außerdem konterkariert eine Unterbringung in einer Sammelunterkunft im Anschluss an die stationäre Jugendhilfe alle erreichten sozialpädagogischen Erfolge hin zu einem eigenständigen und selbstbestimmten Leben.“
Jugendhilfeträger, die sich auf solche Geschäftsmodelle einlassen, senken ohne Not ihre Ansprüche auf Professionalität und berufliches Ethos auf ein erschreckend niedriges Niveau. Sie haben nicht die Lehren aus der Vergangenheit (2015-2017) gelernt, als der Landesrechnungshof in seinem Bericht von 2017 erhebliche Rechtsverstöße bei der Unterbringung unbegleitet eingereister, minderjähriger Flüchtlinge konstatierte.
Dass eine solche Idee von den Bezirken Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg mitgetragen wird, wo Rot-Rot-Grün in politischer Verantwortung ist, verwundert uns sehr.
Wir verlangen daher ein klares Bekenntnis der Linken, Grünen und der SPD zu einer Politik, die die Rechte von jungen Geflüchteten auch nach Erreichen der Volljährigkeit umfänglich respektiert und einhält und ihnen ihre Perspektiven auf ein nachhaltiges Ankommen in Deutschland nicht verbaut.
Politik und Behörden sollten sich von den Bedürfnissen der jungen Geflüchteten leiten lassen und nicht durch finanzielle Spareffekte beeinflusst werden.
Wir fordern die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben: Eine regelhafte Gewährung von Hilfe für Junge Volljährige bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die sich in Art und Umfang am individuellen Bedarf der jungen Menschen orientiert und in ihrer Ausgestaltung die Vorgaben des Kinder- und Jugendhilferechts einhält.
Wir fordern außerdem eine Anschlussunterbringung nach (rechtmäßiger) Beendigung der Jugendhilfe in Wohngemeinschaften oder anderen angemessenen Wohnformen, nicht in Sammelunterkünften für Erwachsene.
Wir fordern den Wohnberechtigungsschein mit Dringlichkeit zur Vermeidung von Obdachlosigkeit für geflüchtete junge Volljährige, die aus der Jugendhilfe entlassen werden, unabhängig vom Aufenthaltsstatus.
Wir fordern ein Kontingent innerhalb der landeseigenen Wohnungen für geflüchtete junge Volljährige, die aus der Jugendhilfe entlassen werden.
Vor allem aber fordern wir das LAF auf, die Umsetzung des Pilotprojekts zu stoppen und die Rechte geflüchteter junger Menschen umfassend zu achten.
Pressekontakte:
Flüchtlingsrat Berlin e.V., Nora Brezger, Tel. 017677209320, Email: brezger@fluechtlingsrat-berlin.de
BBZ, Daniel Jasch, Tel. 030 6664 07 21, Email: d.jasch@kommmitbbz.de