Die Ankunft junger Afghan*innen in Deutschland seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan ist auch in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht eine Ausnahmesituation. In der Einzelfallberatung des BumF erreichen uns Fälle, in denen Jugendliche unter den chaotischen Bedingungen der Evakuierung von ihren Familien getrennt wurden. Zahlreiche umF sind in ihrer Angst um Angehörige in Afghanistan schier verzweifelt und damit psychisch extrem belastet. Es kursieren zahlreiche Falschinformationen, die entweder weiter verunsichern oder unerfüllbare Erwartungen schüren.
Dabei war und ist der Umgang mit der aufenthaltsrechtlichen Situation bundesweit alles andere als einheitlich: mal werden Duldungen vergeben, mal eine Aufenthaltserlaubnis nach Aufenthaltsgesetz, mal wird zur Asylantragstellung aufgefordert (für die rechtliche Einordnung und weitere Informationen siehe hierzu auch die Themenseiten von PROASYL und dem Flüchtlingsrat Niedersachsen).
Angesichts der aktuellen unklaren Situation raten wir minderjährigen Geflüchteten, die aus Afghanistan (wie auch immer) ausgeflogen wurden und in Deutschland eingereist sind, wenn sie
1. bei Einreise ein 90-Tage-Visum erhalten haben, das Ende der First abzuwarten und anschließend eine Antrag auf Visumsverlängerung ggf. nach § 22 AufenthG zu stellen;
2. nach der Einreise aktuell nur über eine Duldung verfügen, direkt Antrag auf “humanitären Aufenthalt” nach AufenthG zu stellen.
Wenn bereits ein Asylantrag gestellt wurde, sollte dieser aufrecht erhalten werden und ggf. im Einzelfall rechtlicher Rat eingeholt werden. Bei Ablehnung des Antrags auf humanitären Aufenthalt empfehlen wir, sich an unseren Rechtshilfefonds zwecks Beratung und möglicher Unterstützung bei einer Klage zu wenden.
Unabhängig von der aktuellen aufenthaltsrechtlichen Situation ist es wichtig, dass sich ein möglichst umfassender Überblick verschafft wird. Dann können auch zu einem späteren Zeitpunkt auf Nachfrage ggf. Identität, Reiseweg, Familienbeziehungen, legale Einreise etc. nachgewiesen werden. Es sollte genau dokumentiert werden, wann, mit wem und wie (bspw. ausgeflogen mit der US Armee) und mit welchen Dokumenten (wer hat diese ausgestellt? Sind es Dokumente von dritten Staaten?) der*die Jugendliche eingereist ist. Diese Angaben sind unbedingt zu dokumentieren, sodass sie im späteren aufenthaltsrechtlichen Verfahren vorliegen und verwendet werden können.