Harun O. wurde bei der Alterseinschätzung irrtümlich für einen Erwachsenen gehalten, doch bei seiner Anhörung verstand er kaum, um was es geht. Als er endlich eine kompetente Vormundin erhält, ist es schon zu spät: Sein Asylantrag wird abgelehnt. Doch mit Hilfe des BumF-Rechtshilfefonds kann seine Vormundin erreichen, dass sein Fall neu aufgerollt wird – mit Erfolg.
2015 herrschte bei der Aufnahme von minderjährigen Geflüchteten vielerorts Chaos. Etwa in Stade. „Weil ich schon Erfahrung in der Arbeit mit minderjährigen Geflüchteten hatte, wurde ich angefragt, ob ich Vormundschaften übernehmen könnte“, erinnerte sich Anke Wagener. “Auf einen Schlag wurden mir gleich mehrere Mündel zugeteilt.” Einer von ihnen: Harun O., ein mit 15 Jahren nach Deutschland geflohener Jugendlicher aus Afghanistan.
“Ich wunderte mich, warum Harun offenbar noch gar nicht beim BAMF registriert war”, erinnert sich Anke Wagener. Also stellt sie 2016 mit Harun einen Asylantrag. “Wir wurden dann zum Bundesamt gebeten, ich dachte zur Anhörung”, erzählt Wagener.
Im der Bundesamt Außenstelle Hamburg gab mir jemand einen Stapel Papiere, sagte, dass sei Haruns Ablehnung, er müsse das Land verlassen, sonst werde er nach Afghanistan abgeschoben. Harun wäre fast zusammengebrochen.
Anke Wagener, Haruns Vormundin
Wenn es ernst wird: Der BumF-Rechtshilfefonds unterstützt junge Geflüchtete, ihre Rechte durchzusetzen. Helfen Sie jetzt mit.
SpendenWagener glaubt zunächst an eine Verwechslung. Sie verweist auf eine Kopie von Harun O.’s Geburtsurkunde, die sein Alter belegt: Zum Zeitpunkt der Asylantragstellung ist er gerade erst 16 Jahre alt. Doch statt dem Original der Geburtsurkunde findet sich in der Akten des BAMF eine Altersschätzung der Hamburger Behörden. “Bartwuchs, gereifter Gesamteindruck, sicheres Auftreten, Stimmlage, postpubertärer Körperbau, erwachsene Kinnpartie”. Harun O., so behauptet das Gutachten, sei 19 Jahre alt.
Bald kommt heraus: In der Erstversorgungseinrichtung, in der Harun O. nach der Ankunft untergebracht worden war, wurde er nicht nur einer fragwürdigen körperlichen Alterseinschätzung unterzogen, dort wurde ein Asylantrag in seinem Namen gestellt und eine Art Anhörung durchgeführt – ohne dass Harun O. darüber aufgeklärt wurde, was all das zu bedeuten habe – und ohne, dass seine spätere Vormundin davon erfuhr. “Diese Asylantragstellung war schlicht illegal”, sagt Wagener.
Aufgrund der falschen Alterseinschätzung und der Ablehnung des Asylantrags ist Harun O. von Abschiebung bedroht. Er braucht jetzt dringend einen Anwalt, der seinen Fall aufklärt. Schnell stellt Wagener einen Antrag beim Rechtshilfefonds des Bundesfachverbands, denn Haruns 60 Euro Taschengeld reichen für die Anwaltskosten niemals aus.
Harun hat gestrahlt, als ich ihm gesagt habe, dass der Rechtshilfefonds des BumF die Hälfte der Anwaltskosten übernimmt. Er hat mitbekommen, dass es da Menschen gibt, die seine Notlage sehen und helfen wollen. Daraufhin hat er wieder Vertrauen gefasst.
Anke Wagener, Haruns Vormundin
Harun O.’s Anwalt kann schließlich durchsetzen, dass der Fall neu entschieden wird – auf der Grundlage seines tatsächlichen Alters und einer diesmal sorgfältigen Anhörung. Jetzt bekommt der Halbwaise endlich Schutz vor einer Abschiebung in das Bürgerkriegsland Afghanistan.
“Die Rechte sind da“, sagt Anke Wagener. „Aber die junge Flüchtlinge brauchen Hilfe, um sie geltend machen zu können.“
Ich unterstütze Klageverfahren von jungen Geflüchteten:
Bundesfachverband umF e.V.
IBAN: DE 4770 0205 0000 0889 9803
BIC: BFSWDE33MUE
Um ihre Rechte zu erhalten, brauchen viele junge Geflüchtete anwaltlichen Beistand. Doch dafür fehlt es ihnen häufig an Geld. Deshalb hat der BumF e.V. seinen Rechtshilfefonds ins Leben gerufen. Erfahren Sie mehr über den BumF-Rechtshilfefonds und helfen Sie jetzt mit Ihrer Spende mit.
Illustration: Tomka Weiß