Frauen und Mädchen in Afghanistan – Zwei Jahre nach der Machtübernahme der Taliban

Vor zwei Jahren haben die Taliban nach dem hektischen Abzug der NATO-Truppen die Kontrolle in Afghanistan übernommen. Dies hat zu einer drastischen Zunahme von Repressionen und eklatanter Gewalt im Land geführt. Ziel dieser Repressionen sind Journalist*innen, LGBTQI+-Personen, Frauen- und Menschenrechtsaktivist*innen, ehemalige Regierungsmitarbeitende und viele weitere. So leben unzählige Menschen in ständiger Gefahr, während gleichzeitig auch die Fluchtwege lebensgefährlich sind und es keine sichere Möglichkeit gibt, das Land zu verlassen.

Das im letzten Jahr gestartete deutsche Bundesaufnahmeprogramm (BAP) bietet dabei kaum einen Lichtblick für gefährdete Personen. Das BAP, was ein ohnehin schon zu geringes Kontingent von 1000 Zusagen im Monat vorsieht, ist kompliziert, hochschwellig, undurchsichtig – und greift schlichtweg nicht. Bis Sommer 2023 (Stand Ende Juni 2023) ist keine einzige Person über das Programm nach Deutschland eingereist (Quelle: Asyl.net: Informationen für Schutzsuchende aus Afghanistan)

Besonders schwerwiegend sind die Auswirkungen der Machtübernahme der Taliban für Frauen und Mädchen im Land. Sie leiden unter den brutalen Repressionen und der massiven Entrechtung durch die Taliban.

Zur Situation von Mädchen und Frauen in Afghanistan, den Einschätzungen von UN-Menschenrechtsexpert*innen und der Entscheidungspraxis des BAMF hat Pro Asyl kürzlich einen umfassenden Artikel veröffentlicht (Pro Asyl, 10.08.23., „Zu wenig Flüchtlingsanerkennung trotz Gender-Apartheid in Afghanistan“.)

Frauen und Mädchen wird das Recht auf weiterführende Bildung verwehrt, sie dürfen nicht öffentlich sichtbar arbeiten, sich kaum auf öffentlichen Plätzen aufhalten, sie dürfen nicht reisen, haben kaum politische und gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten…

Die Restriktionen sind so massiv und systematisch, dass UN-Menschenrechtsexpert*innen im Bericht »Situation of women and girls in Afghanistan“ eine Einstufung der Unterdrückung als geschlechtsspezifische Verfolgung und als institutionalisierten Rahmen der „Gender-Apartheid« vorschlagen.

Im Lichte dieser Situation, muss gelten: Frauen und Mädchen müssen grundsätzlich als Flüchtlinge* im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt werden! 

Bereits Ende Januar 2023 hat die Europäische Asylagentur (EUAA) europäische Staaten dazu aufgefordert, Frauen und Mädchen aus Afghanistan aufgrund der Verfolgung durch die Taliban grundsätzlich als Flüchtlinge anzuerkennen. Diese Empfehlungen an die Mitgliedstaaten sind zwar bindend, stellen jedoch ein klares Signal an die Regierungen der europäischen Staaten dar, ihre Entscheidungspraxis im Asylverfahren anzupassen. Schweden kam der Empfehlung der EUAA zuvor und erkennt schon seit Dezember 2022 Frauen und Mädchen aus Afghanistan den Flüchtlingsstatus zu. Dänemark und die Schweiz sind bisher dieser Praxis gefolgt. Ausführlichere Informationen dazu weshalb Frauen und Mädchen aus Afghanistan als Flüchtlinge anerkannt werden müssen, gibt es im oben genannten Artikel von Pro Asyl, Zu wenig Flüchtlingsanerkennung trotz Gender-Apartheid in Afghanistan.

In Deutschland erfolgt die Anpassung der Asylentscheidungen für Frauen und Mädchen aus Afghanistan leider nur schleppend und bei Weitem nicht konsequent! Erst im Frühjahr 2023 hat das BAMF seine HK-Leitsätze für Afghanistan überarbeitet und eine Verbesserung der Entscheidungspraxis angekündigt. Trotz der Verbesserung wurde es jedoch weiterhin nicht der Forderung gerecht, prinzipiell als Grundlage der Entscheidungspraxis zugrunde zu legen, dass Frauen und Mädchen in Afghanistan allein aufgrund ihres Geschlechts verfolgt sind.

Im ersten Halbjahr 2022 erhielten lediglich 33% der Antragstellerinnen den Flüchtlingsstatus gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention.

Obwohl es laut Pro Asyl in diesem Jahr eine signifikante Steigerung der Anerkennungen von Frauen für den Flüchtlingsstatus oder subsidiären Schutz gab, erhielt immer noch etwa ein Drittel der Antragstellerinnen lediglich ein Abschiebungsverbot. Dies schützt zwar vor einer Rückführung nach Afghanistan, verweigert ihnen jedoch weiterhin grundlegende Rechte sowie Zugang zu Arbeit und Bildung.

Anlässlich des zweiten Jahrestages der Machtergreifung der Taliban fordern wir: Frauen und Mädchen aus Afghanistan müssen konsequent als Flüchtlinge anerkannt werden! 

Im Rahmen der BumF-März Kampagne „feministisch, solidarisch, intersektional!“ hat der Flüchtlingsrat Brandenburg ein starkes Statement zur Situation geflüchteter Mädchen und Frauen aus Afghanistan eingebracht, was leider weiterhin nicht an Aktualität verloren hat. Das Statement ist hier nachzulesen.

 

Demonstrationen “Don`t forget Afghanistan”:

15.08.2023

Berlin I Werderscher Markt 1 I 14:00 Uhr

Kiel I Vinetaplatz Gaarden I 16:30 Uhr

Düsseldorf I Bertha von Suttner Platz I 16:00 Uhr

Dresden I Jorge -Gomondai-Platz I 19:00 Uhr

 

16.08.2023

Bonn I Marktplatz I 19:00 Uhr

 

19.08.2023

Hamburg I Heidi-Kabel-Platz / Hachmannplatz I 16:00 Uhr

 

21.08.2023

Düsseldorf I Hochschule Düsseldorf I 13:45 Uhr

 

 

*In diesem Kontext sprechen wir explizit von “Flüchtlingen”, da es sich hierbei um einen Rechtsbegriff handelt, der mit Schutzansprüchen und Rechtsgarantien einhergeht.