Bundeskabinett beschließt Gesetzesentwurf zum Staatsangehörigkeitsgesetz

Heute hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf des BMI zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ohne substantielle Änderungen beschlossen. Während die Einführung der Mehrstaatigkeit und eine Verkürzung der Mindestaufenthaltsdauer vom Bündnis “Pass(t) uns allen” als ausdrücklich begrüßenswerte und positive Schritte für ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht gewertet werden, äußert es auch ernsthafte Bedenken bezüglich des Gesetzgebungsverfahrens und der geplanten Verschärfungen. Diese werden das erklärte Ziel, die niedrige Einbürgerungsquote in Deutschland zu erhöhen, konterkarieren.

Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen wurden für eine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf angefragt, doch keine der vorgeschlagenen Nachbesserungen wurde berücksichtigt. “Die Beteiligung der Zivilgesellschaft scheint lediglich pro forma erfolgt zu sein. Statt weitere diskriminierende Regelungen zu verabschieden, die Tausende Menschen von einer Einbürgerung und damit voller politischer und gesellschaftlicher Teilhabe dauerhaft ausschließen, sollte die Regierung bereits bestehende Einbürgerungshürden abschaffen. So darf Armut kein Grund dafür sein, eine Einbürgerung verwehrt zu bekommen. Aus eigener Erfahrung als sogenannte ‘Aussiedlerin’, die knapp ein Jahr nach ihrer Ankunft in Deutschland unbürokratisch eingebürgert wurde, weiß ich, dass eine andere Einbürgerungspraxis möglich und notwendig ist. Wir sollten aus positiven Beispielen wie diesen lernen. Das würde die Einbürgerungsbehörden massiv entlasten und zur Demokratisierung unserer Gesellschaft beitragen”, erklärt Olga Gerstenberger von With Wings and Roots e.V.

Trotz konkreter Änderungsforderungen von zahlreichen sozialpolitisch & migrationsspezifischen Fachexpert*innen hält das Bundeskabinett mit dem heute verabschiedeten Beschluss an den wesentlichen Verschärfungen des innenministerial verfassten Gesetzesentwurfs fest. So werden arme Alleinerziehende und ihre Kinder; Renter*innen, deren Rente aufgestockt wird; Menschen mit Behinderungen und pflegende Angehörige sowie Studierende und Auszubildende in Zukunft von der Anspruchseinbürgerung ausgeschlossen.

Auch wurden die neu hinzugefügten Prüfungen einbürgerungswilliger Personen beibehalten. Der Entwurf sieht vor, dass ein Mensch, der “antisemitisch, rassistisch, fremdenfeindlich oder sonstige menschenverachtend motivierte Handlungen” verantwortet hat oder “durch sein Verhalten zeigt, dass er die im Grundgesetz festgelegte Gleichberechtigung von Mann und Frau missachtet” von der Einbürgerung ausgeschlossen wird. Die dadurch entstehenden zusätzlichen Prüfungen führen zu einer Verlängerung der ohnehin schon langen Wartezeiten bis zur Einbürgerung und zu einer Überforderung von Sachbearbeiter*innen, die schon jetzt an der Kapazitätsgrenze arbeiten.Das birgt die Gefahr von noch mehr Willkür und der Zunahme von institutionellem Rassismus durch rassistische und kulturalisierende Zuschreibungen, insbesondere für muslimische Menschen und für die, die für muslimisch gehalten werden. Sie sind ja mit solchen vermeintlich neutralen Formulierungen gemeint. Hier werden Millionen Menschen unter Generalverdacht gestellt, sagt Koray Yılmaz-Günay vom Berliner Migrationsrat, einer Dachorganisation von fast 90 Migrant*innen-Organisationen.

Trotz anderslautender Beteuerungen wird im Gesetzesentwurf die Situation von Staatenlosen und langjährig Geduldeten nach wie vor nicht berücksichtigt. “Die Tatsache, dass Staatenlose im aktuellen Gesetzesentwurf immer noch nicht berücksichtigt werden, ist inakzeptabel. Seit Jahrzehnten wurden die Rechte staatenloser Menschen in Deutschland fast vollständig ignoriert. Als Organisation sind wir bisher davon ausgegangen, dass der Grund für diesen unzureichenden Umgang mit Staatenlosigkeit das allgemeine Unwissen in Politik und Gesellschaft ist. Nun stellt sich aber die Frage, ob es sich tatsächlich um Unwissenheit oder vielmehr um die bewusste Missachtung und Diskriminierung staatenloser Menschen in Deutschland handelt. Wir sind nach wie vor bereit für und hoffen auf eine kollaborative und konstruktive Zusammenarbeit mit der Regierung, um eine nachhaltige Lösung für die Integration staatenloser Menschen in Deutschland zu finden”, kommentiert Christiana Bukalo, Erste Vorsitzende von Statefree e.V.

Das Bündnis “Pass(t) uns allen” fordert, die historische Gelegenheit zu nutzen, das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht umfassend zu modernisieren, das Gesetz im parlamentarischen Verfahren nachzubessern und an die Realitäten einer vielfältigen und demokratischen Migrationsgesellschaft anzupassen. Dass in der Bundesrepublik lebende Menschen weiterhin von fundamentalen Indikatoren eines demokratischen Staates, wie dem Wahlrecht, ausgeschlossen bleiben sollen, ist nicht hinnehmbar.

Stellungnahme zum Gesetzesentwurf des BMI.

Online-Pressekonferenz zum Gesetzesentwurf des BMI.

Über  das Bündnis: 

Das Bündnis “Pass(t) uns allen” besteht aus über 50 migrantischen und rassismuskritischen Interessenvertretungen und Selbstorganisationen bundesweit, die sich für ein gerechtes Staatsbürgerschafts-, Einbürgerungs- und Wahlrecht einsetzen. https://passtunsallen.de

 

Pressekontakt:

Miman Jasarovski: E-mail: miman@withwingsandroots.com und telefonisch unter: 0157/54158750

Olga Gerstenberger:  E-mail: olga@withwingsandroots.com und telefonisch unter: 0176/72775478

Christiana Bukalo: christiana@statefree.world

Magdalena Benavente: magdalena.benavente@migrationsrat.de und telefonisch unter: 030/61658755

 

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