Anlässlich der derzeitigen Internationalen Wochen gegen Rassismus 2025 (17.- 30. März) möchten wir auf das Interview mit Sonkeng Tegouffo aufmerksam machen, das wir aus unserer Podcastreihe „Das ist der Podcast vom BuMF und nicht vom BAMF“ veröffentlicht haben.
Sonkeng ist seit 2006 beim Flüchtlingsrat in Brandenburg aktiv. Sein Schwerpunkt dort ist Teilhabe und berufliche Orientierung. Mit ihm haben wir unter anderem darüber gesprochen warum es mehr Begegnungsräume und dezentrale Unterbringung braucht.
Sonkeng: „In den letzten Jahren habe ich viele sehr engagierte Geflüchtete kennengelernt, die aber mittlerweile woanders hingezogen sind. Viele kompetente Menschen, die was zu sagen hatten und die andere Geflüchtete mobilisiert haben, ihre Stimme zu erheben, sind gegangen. Ehrlich gesagt bleibe ich in Brandenburg nur aus solidarischen Gründen weiter aktiv. Es ist eine schwierige Arbeit, aber ich denke immer, wenn ich auch weg bin, gehen die Erfahrungen, die ich in den letzten 18 Jahren gesammelt habe, auch noch verloren.“
Sonkeng ist in Brandenburg Mitglied des Landesintegrationsbeirats und dort in einer Arbeitsgruppe, die sich für geflüchtete Menschen aus afrikanischen Ländern einsetzt.
Sonkeng: „Weil wir gemerkt haben, dass die Verweildauer in Sammelunterkünften bei Geflüchteten afrikanischer Herkunft noch länger ist als bei den anderen. Grund dafür ist auch Diskriminierung bzw. Rassismus, aber darüber wird zu wenig berichtet.“
Im Zusammenhang mit dieser Arbeitsgruppe hat Sonkeng Interviews geführt.
Sonkeng: „Es ist extrem schwierig, Leute dazu zu gewinnen, über ihre rassistischen Erfahrungen zu berichten, weil das Thema sehr schmerzhaft ist und die Menschen aufgrund ihrer vergangenen Erfahrungen eine große Skepsis haben. Das Asylsystem ist erniedrigend. Es fängt schon an mit der Registrierung und wie die Menschen mit Unbekannten untergebracht werden. Wenn die Leute aus der Aufnahmestelle rauskommen, sind die meisten deprimiert. Nur die Stärksten schaffen es noch später, aus ihrem Leben was zu machen.
Am Ende des Interviews sagen viele, dass es das erste Mal war, dass sie gefragt wurden, wie es ihnen geht. Man merkt auch durch die Länge der Interviews, dass die Leute wirklich was erzählen wollen. Was wir berichtet bekommen, muss man erst mal auch emotional aushalten können. Es sind wirklich schreckliche Erlebnisse, die die Leute berichten. Da muss man die nötige Empathie mitbringen, damit sie sich irgendwie aufgefangen fühlen.
Es ist wichtig, dass die Menschen gehört werden! Durch die Gespräche schaffe ich einen Rahmen für die Menschen, sich zu öffnen und zeige ihnen, dass ich da bin, um zuzuhören, mit dem Ziel, später darüber zu berichten, damit andere erfahren, was mit ihnen passiert ist, mit der Hoffnung, dass es sich nicht wiederholt.“
Die Bedeutung von Sprache in der Asyldebatte
Sonkeng: „Die Sprache ist ein zentrales Kommunikationsmittel und durch die Sprache kann man Menschen entweder einbeziehen oder ausschließen. Umso wichtiger ist es, sich mit den Begriffen auseinanderzusetzen und diskriminierungsarm zu handeln.
Diskriminierung passiert nicht immer bewusst, weil sehr oft haben wir Begriffe verinnerlicht, die eigentlich stigmatisierend oder sogar rassistisch sind. Aber dadurch, dass wir die immer benutzt haben, reflektieren wir die Wörter nicht mehr, die Begriffe nicht mehr.
Warum heißt es zum Beispiel immer noch Asylbewerber:in? Asylrecht ist kein Wettbewerb. Das ist ein Recht, ein Grundrecht. Darum muss man sich nicht bewerben. Durch diese Bezeichnung spricht man den Menschen indirekt das Recht auf Asyl ab. Da ist institutionelle Diskriminierung vorprogrammiert.“
Forderung nach dezentraler Unterbringung
Sonkeng: „Die Unterbringung von Geflüchteten muss dezentralisiert werden. Wenn alle zentralisiert an einem Ort untergebracht werden, ist das für die gesellschaftliche Teilhabe nicht unbedingt fördernd. Anstatt in Sammelunterkünften müssen die Leute privat unterkommen, damit sie auch Kontakte zu der Mehrheitsgesellschaft aufnehmen können.
Wenn die Menschen irgendwo im Wald untergebracht werden, erzeugt das auch Angst. Vielleicht ist das Ziel, das dahinter steckt, indem man Leute so abgelegen unterbringt, damit sie keinen Kontakt zu der Mehrheitsgesellschaft haben. Und dann kann man sie gut stigmatisieren: Sie wollen kein Deutsch lernen usw.
Wie sollen sie bitteschön Deutsch lernen, wenn sie keinen Kontakt zu den Menschen haben? Begegnungsräume ist für mich in diesem Zusammenhang ein Begriff, den ich sehr gerne betone. Menschen müssen sich begegnen, um kommunizieren zu können, um sich kennenlernen zu können, um gemeinsam träumen zu können.
Die Migration ist eine Realität. Es ist so, und das kann man nicht weiter leugnen.“
Quelle: Dieser Text basiert auf einem Gespräch, das im Podcast „Der Podcast vom BumF und nicht vom BAMF“ in der dritten Folge „Antirassismusarbeit ist wie Zähneputzen“ geführt wurde. Redaktion: Livia Giuliani
Dieses verschriftlichte Interview entstand im Rahmen des Projektes „Kindeswohlgerechtes Ankommen sicherstellen“