Der Bundesfachverband umF e.V. kritisiert zum heutigen 70. Jubiläum des Weltkindertages die gravierende Einschränkung der Rechte geflüchteter Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener durch die Bundesregierung und ruft dazu auf, für eine solidarische menschenrechtsbasierte Gesellschaft aller einzutreten.
Verfassungswidrige Politik scheint derzeit en vogue zu sein. Während vor kurzem die GEAS-Reform als größte Fragmentierung einer menschenrechtsbasierten Migrationspolitik galt, überschlagen sich in den letzten Wochen in Deutschland die Ereignisse, die selbst die europarechtliche Verschärfung der Asylpolitik in den Schatten stellen. Alle Parteien veranstalten einen Überbietungswettbewerb restriktiver Migrationspolitiken. Das „Sicherheitspaket“ der Ampel-Regierung sieht Verschärfungen vor, die vor einigen Jahren selbst die CDU als zu extrem zurückgewiesen hätte:
- Grenzkontrollen und Zurückweisungen an den Bundesgrenzen werden als europarechts-konform erklärt und umgesetzt.
- Asyl-Schnellverfahren und De-facto-Inhaftierungen von Asylsuchenden direkt an den Grenzen sollen umgesetzt werden.
- Gerade noch wurde die Bezahlkarte für Asylsuchende eingeführt, schon werden Streichungen der stark unter Existenzminimum angesiedelten Asylbewerberleistungen angeführt.
- Im jüngst von CSU/CDU vorgelegten Entwurf eines „Zustrombegrenzungsgesetzes“ will die Unionsfraktion zudem den Familiennachzug zu Personen mit subsidiärem Schutz schlussendlich beenden.
Mit anderen Worten: Es werden national wie international verbriefte menschenrechtliche Prinzipien – darunter auch die Kinderrechte – über Bord geworfen. Der berühmte Ausspruch des Bundesverfassungsgerichts „Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren“ scheint vergessen. Leidtragende dieser Dynamik sind vor allem auch geflüchtete Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.
Der gesellschaftliche Diskurs driftet weiter in hohem Tempo nach rechts. In Folge des schrecklichen Messerangriffs in Solingen wird Migration als DAS Sicherheitsproblem konstruiert und migrierte Menschen unter Generalverdacht für Islamismus und Gewalt gestellt. Migration wird zur Projektionsfläche für all das, was in der Gesellschaft schiefläuft
Die Bundesregierung stärkt durch ihre restriktive, Ängste schürende Migrationsbegrenzungspolitik diese rassistischen Diskurse. In ihrem Versuch, rechtsextremen Parolen durch schärfere Migrations- und Asylpolitik den Wind aus den Segeln zu nehmen, setzen die Regierungsparteien die migrationspolitischen Forderungen von rechts in reale politische Praxis um und bereiten ihnen so den Weg. Dabei warnen Wissenschaftler*innen seit Jahren davor, dass die Übernahme rassistischer Positionen rechte Parteien gerade nicht schwächt, sondern vielmehr stärkt und ihre extremen Forderungen sagbar macht.
All das erinnert uns an die Debatten rund um den „Asylkompromiss“ aus dem Jahr 1993 von CDU, FDP und SPD. Er schaffte das in Reaktion auf die NS-Zeit entstandene grundgesetzliche Asylrecht de facto ab. Auch damals waren die medialen und politischen Debatten dicht gefüllt von rassistischen Metaphern der Gefährdung und der Überfüllung („Das Boot ist voll“). Und auch heute werfen erste Politiker bereits den Vorschlag ins Feld, das Asylrecht komplett aus dem Grundgesetz zu streichen.
Geflüchtete Kinder, minderjährige und andere vulnerable Geflüchtete bekommen dieses rassistische Klima und die restriktive Migrationspolitik tagtäglich am eigenen Leib zu spüren. Aus unseren Online-Umfragen wissen wir: Gewalterfahrungen junger Menschen nehmen seit Jahren zu, insbesondere durch Kontrollen und Zurückweisungen an den EU-Außengrenzen, aber auch dadurch, dass sie in Europa ungeschützt sich selbst überlassen werden aufgrund maroder Ankunftssysteme. Für allein reisende Minderjährige widerspricht die diskutierte Einschränkung des Familiennachzugs dem Grundsatz des Schutzes von Familie, der sowohl in der Kinderrechts-konvention als auch im Grundgesetz verbrieft ist.
Der Bundesfachverband fragt die Regierung:
Wo werden angesichts der umfassenden Begrenzungsmaxime des Sicherheitspakets oder der verfassungsfeindlichen Kürzung des Asylbewerberleistungsgesetzes oder auch der europarechtswidrigen Grenzkontrollen die Rechte betroffener Kinder und junger Menschen sowie vulnerabler Personen berücksichtigt?
Anstelle restriktiver Politik fordert der Bundesfachverband die Bundesregierung auf, für eine Asyl- und Migrationspolitik einzutreten, die die Grund- und Menschenrechte für alle Menschen verteidigt – gerade auch für geflüchtete Kinder, Jugendliche und junge Menschen, ob an den EU-, den deutschen Außengrenzen oder innerhalb Deutschlands. Das Ziel muss eine menschenrechtsbasierte Gesellschaft für alle sein.
Kontakt für Presseanfragen: Philipp Ratfisch, p.ratfisch@b-umf.de